Die Erwartungen an den neuen Regierungschef in Armenien sind hoch – vielleicht zu hoch.
Nikol Paschinjan bei den Wahlen in Armenien.
Armeniens Ministerpräsident Nikol Paschinjan ist der neue Hoffnungsträger. - dpa
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Das Wichtigste in Kürze

  • Am Montag kommt das neue Parlament in Armenien zusammen.
  • Die Bevölkerung setzt dabei alle Hoffnungen auf Nikol Paschinjan.

Seit Nikol Paschinjan im Mai nach Massenprotesten an die Regierungsspitze kam, haben die Menschen in der Ex-Sowjetrepublik Armenien so etwas wie Hoffnung. Doch kehren sie nun in ihre Heimat zurück? Experten sind skeptisch.

Deutschlehrerin Astghik Tarlojan steht in der Hauptstadt von Armenien.
Deutschlehrerin Astghik Tarlojan sieht noch nicht, dass ihre Schüler wieder zurück kehren. - dpa

Noch kann Deutschlehrerin Astghik Tarlojan nicht davon erzählen. «Viele Armenier im Ausland warten mit grosser Begeisterung darauf, dass sich die wirtschaftliche und soziale Lage im Land verbessert, damit sie zurückkommen.» Dafür müsse in erster Linie die soziale Sicherheit gewährleistet werden mit Arbeit, Krankenversicherung und Altersvorsorge, listet die Lehrerin auf, die an einer Universität und auch privat unterrichtet. Die Erwartungen an Ministerpräsident Paschinjan sind gross – zu gross, finden Beobachter.

Der Aufbruch soll an diesem Montag offiziell eingeläutet werden, wenn das Parlament nach der Wahl Anfang Dezember zu seiner ersten Sitzung zusammenkommt. Dann steht auch die Wahl des 43-jährigen Paschinjans an, der im Frühjahr die wochenlangen Strassenproteste gegen Korruption und Vetternwirtschaft angeführt hat. Er zwang den damaligen Regierungschef Sersch Sargsjan zum Rücktritt und stieg mit der sogenannten Samtenen Revolution zum Interims-Regierungschef auf. Mit seinem Rücktritt im Oktober ebnete er den Weg für die Parlamentswahl.

Demonstranten, die Teil der Samtenen Revolution sind.
Demonstranten in Armenien, die Teil der Samtenen Revolution sind. - Keystone

«Ja, die Situation kann besser werden. Ich sehe aber nicht, dass dies in einem Jahr möglich ist», glaubt der Politologe Alexander Iskandarjan. Armenien habe viele Probleme, zum Beispiel mit Korruption und Armut. Das Land ist ausserdem mit den Nachbarn Aserbaidschan und Türkei verfeindet.

Der Chef der Deutsch-Armenischen Gesellschaft in Deutschland sieht das ähnlich: «Die Rückkehr nach Armeniern wird speziell für jene, die als Bürger Armeniens nach Deutschland gekommen sind, davon abhängen, wie es im Land wirtschaftlich weitergehen wird», sagt Raffi Kantijan. In Deutschland sollen Schätzungen zufolge zwischen 40'000 und 60'000 Armenier leben.

«Für mich kam es bislang nicht in Frage, mein Land zu verlassen», sagt der 20 Jahre alten Narek. Der Modedesigner ging im Frühjahr mit auf die Strasse, wie er erzählt. «Zum ersten Mal habe ich mein Land richtig geliebt.» Er hofft auf ein gutes Ende.

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