Es ist das zweite Mal in kurzer Zeit, dass islamistische Taliban eine Provinzhauptstadt in Afghanistan angreifen. Dieses Mal traf es Ghazni (AFG).
Ein Markt in Afghanistan. (Symbolbild)
Ein Markt in Afghanistan. (Symbolbild) - Pixabay
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Das Wichtigste in Kürze

  • Bei einem Taliban-Überfall auf die Stadt Ghazni (AFG) starben mindestens 16 Menschen.
  • Laut dem afghanischen Verteidigungsministerium seien die Taliban wieder vertrieben.

Mehrere hundert radikalislamische Taliban-Kämpfer haben die Provinzhauptstadt Ghazni (AFG) überfallen. Die Aufständischen griffen die Stadt in der Nacht zum Freitag von mehreren Seiten an, wie der Sprecher der ostafghanischen Provinzregierung, Arif Nuri, berichtete. Die Extremisten lieferten sich stundenlange Gefechte mit Sicherheitskräften, die bis zum frühen Abend (Ortszeit) andauerten. Mindestens 16 Polizisten und Soldaten wurden bei den Gefechten getötet, und mehr als 20 weitere verletzt.

Der Sprecher des Verteidigungsministeriums, Mohammed Radmanisch, sagte am Abend, die Taliban seien aus dem Zentrum vertrieben worden. «Die Situation in der Stadt ist unter Kontrolle.» Nun bemühten sich die Sicherheitskräfte, die Aufständischen auch aus den Aussenbezirken zu vertreiben. Dort schössen die Extremisten weiter sporadisch auf Polizisten und Militärs.

Taliban sind stark präsent

Laut Militärangaben kontrollieren die Taliban aktuell knapp 14 Prozent des Landes. Weitere 30 Prozent sind umkämpft. Allerdings sehen andere Quellen eine höhere Dominanz der Aufständischen.

Lokale Bewohner hatten davor berichtet, Taliban hätten sich in Privathäusern und Geschäften verschanzt und immer wieder geschossen. Mehrere Gebäude seien in Flammen aufgegangen. Laut Radmanisch trafen Spezialeinheiten ein und die Luftwaffe wurde in Bereitschaft versetzt. Eine US-Drohne führte am Vormittag einen Luftangriff aus.

Mindestens 16 Tote

Bis zum Nachmittag wurden mindestens 16 Menschen getötet, davon 14 Sicherheitskräfte und zwei Zivilisten, wie der Leiter der örtlichen Gesundheitsabteilung, Bos Mohammed Hemat, sagte. Weitere 23 Sicherheitskräfte und sieben Zivilisten wurden demnach verletzt. Allerdings waren Krankenhäuser und Provinzräte ab dem späteren Nachmittag nicht mehr telefonisch zu erreichen, da erst der Strom in der Stadt ausfiel und später der Handyempfang. Auch der Fernseh- und Radioempfang war unterbrochen.

Mehrere Behördenvertreter aus Ghazni (AFG) hatten sich über die schlechte Sicherheitslage beklagt, Experten befürchteten einen Angriff. Lokale Kommentatoren warfen auch die Frage auf, ob es den Taliban durch den historischen Waffenstillstand im Juni leichter gefallen sei, sich in Ghazni (AFG) zu sammeln. Der Waffenstillstand war von den Taliban und der Regierung für drei Tage eingehalten worden. Allerdings gab es von Seite der Regierung einen einseitigen Waffenstillstand von insgesamt 19 Tagen, an denen die Sicherheitskräfte sich nur verteidigten, aber keine Offensiven durchführten.

Ghazni (AFG) hat geschätzte 150'000 Einwohner und liegt an der Ringstrasse, einer wichtigen Nord-Süd-Verbindung, die die Hauptstadt Kabul mit der südlichen Stadt Kandahar (AFG) verbindet. Lokalen Medienberichten zufolge wurde der Verkehr auf der Route eingestellt. Wären die Taliban auf Dauer erfolgreich, hätten sie praktisch den Norden vom Süden abgeschnitten.

Bereits vor dem Überfall haben die Taliban die Provinz Ghazni (AFG) militärisch dominiert. Sie verfügen laut dem Analyseinstitut Afghanistan Analysts Network über eine starke Präsenz in fast allen der 18 Bezirkszentren.

Der Angriff auf die Provinzhauptstadt Ghazni (AFG) kommt zudem zu einer Zeit, in der erwartet wurde, dass Ghazni (AFG) einen erneuten Waffenstillstand ankündigt. Nach dem Erfolg des ersten Mini-Friedens waren bei vielen Afghanen die Hoffnungen gross, einen zweiten auf einen längeren Zeitraum ausdehnen zu können. Der Angriff auf Ghazni (AFG) wird nun wohl jenen Auftrieb geben, die bereits den ersten Waffenstillstand kritisch sahen.

Spott für Präsident

Dem Präsidenten blieb am Freitag zugleich Spott nicht erspart. Tags zuvor hatte er bei einer Rede in der Stadt Kapisa einen erneuten Waffenstillstand angedeutet und euphorisch gesagt: «Und an dem Tag, an dem der Waffenstillstand in Kraft tritt, geben wir den Taliban Eis. Lang lebe Eis!» Twitter-Nutzer ätzten, die Bewohner von Ghazni (AFG) bräuchten sich keine Sorgen machen, die Taliban seien sicher nur für ein Eis vorbeigekommen.

Sicherheitsexperten wiesen am Freitag darauf hin, dass es dauern könnte, bis die Stadt wieder vollständig von Taliban befreit sei.

Der Angriff auf Ghazni (AFG) ist der zweite auf eine Provinzhauptstadt in diesem Jahr. Mitte Mai überrannten die Extremisten Teile der westlichen Stadt Farah (AFG) und übernahmen kurzfristig mehrere Regierungsgebäude, bevor sie von Polizisten und Militärs mit Unterstützung von US-Luftangriffen wieder vertrieben wurden. Die nördliche Stadt Kundus (AFG) war 2015 und 2016 kurzzeitig an die Taliban gefallen.

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