US-Wirtschaft mangels offizieller Statistiken im Blindflug
Ob Arbeitslosigkeit, Bruttoinlandsprodukt oder Aussenhandel: In den USA werden wegen der Haushaltssperre seit Wochen kaum wirtschaftliche Daten veröffentlicht.

Die Unternehmen des Landes befinden sich somit weitgehend im Blindflug. Experten gehen davon aus, dass aus Vorsicht Investitionen zurückgehalten werden.
«Dies ist die Zeit des Jahres, in der die meisten Unternehmen ihre Budgets für 2026 fertigstellen», sagt Heather Long, Chefökonomin bei der Bank Navy Federal Credit Union. «Fast jedes Unternehmen sitzt also da und überlegt: Glauben wir, dass es 2026 einen Aufschwung geben wird? Oder eine Abschwächung oder eine Rezession?» Offizielle Daten, um dies einschätzen zu können, liegen jedoch nicht vor.
Der Ökonom Matthew Martin von Oxford Economics geht davon aus, dass Unternehmen sehr vorsichtig vorgehen. Präsident Donald Trump habe mit seiner Zollpolitik bereits für grosse Unsicherheit gesorgt, sagt er. «Unternehmen dürften sich daher bei Neueinstellungen zurückhalten, um auf der sicheren Seite zu sein, bis sie Daten sehen, die wirklich auf eine steigende Nachfrage oder zumindest eine Stabilisierung der Wirtschaft hindeuten.»
Der Shutdown gilt seit inzwischen gut vier Wochen. Hunderttausende Beschäftigte der Bundesbehörden werden deshalb nicht mehr bezahlt. Trumps Republikaner und die oppositionellen Demokraten geben sich weiterhin gegenseitig die Schuld dafür. Eine Einigung auf einen Übergangshaushalt ist nicht in Sicht.
Auch die Akteure an den Finanzmärkten sind jedoch auf offizielle Statistiken angewiesen, um Investitionen zu tätigen und ihre Schritte zu planen. «Derzeit besteht eine enorme Nachfrage nach Regierungsdaten», sagt Analystin Long. So versuche jede Branche derzeit «herauszufinden, ob die Federal Reserve die Zinsen weiter senken wird».
Daten könnten für Berichtsmonat Oktober gänzlich verloren gehen
Die Zinsentscheidung der Zentralbank hängt vor allem von der Entwicklung der Inflation sowie der Arbeitslosigkeit ab. Um Inflationsdaten zu erstellen, hatten die Behörden beurlaubte Mitarbeiter zwischenzeitlich zurück ins Büro geordert, denn ohne die Inflationszahlen hätten die Sozialversicherungszahlungen nicht berechnet werden können. Arbeitsmarktdaten wurden jedoch genau wie etwa der Einzelhandelsumsatz oder die Aussenhandelszahlen seit Wochen nicht erhoben.
Sollte die Haushaltssperre – wie es derzeit aussieht – bis Mitte November oder darüber hinaus andauern, würden bereits im Oktober fällige Berichte wohl frühestens im Dezember erscheinen, erklärte die Investmentbank Goldman Sachs in dieser Woche. «Das Risiko würde steigen, dass Verzögerungen nicht nur die Daten für Oktober, sondern auch die für November verzerren.»
Long von Navy Federal Credit Union befürchtet, dass Daten für den Berichtsmonat Oktober gänzlich verloren gehen könnten. In Befragungen von Unternehmensvertretern kann zwar rückwirkend nach der Situation im Oktober gefragt werden. Je länger der Shutdown anhält, desto ungenauer werden jedoch die Daten.
«Wir haben eine bemerkenswerte Unsicherheit darüber, was genau mit dem Arbeitskräfteangebot geschieht, beispielsweise wie viele Menschen in den Vereinigten Staaten leben und einen Arbeitsplatz suchen», sagt Wendy Edelberg, Senior Fellow der Brookings Institution. Beispielsweise wisse niemand, wie viele Menschen das Land in den vergangenen Monaten verlassen haben.
Derzeit stützen sich die Entscheidungsträger vor allem auf Erhebungen des privaten Sektors. Doch diese könnten den Goldstandard, die offiziellen Zahlen US-Behörden, nicht ersetzen, wie Analysten betonen. Sarah House, Senior Economist bei Wells Fargo, sieht trotz des zuletzt starken Wirtschaftswachstums viele «Anzeichen für Spannungen unter der Oberfläche». Doch niemand weiss das wirklich.














