Wegen der schwierigen politischen und wirtschaftlichen Situation fliehen viele Venezolaner ins Nachbarland Kolumbien. Doch dort drohen neue Gefahren.
Flüchtlinge
Venezolanische Flüchtlinge laufen mit Gepäck zur Grenze. - Keystone
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Das Wichtigste in Kürze

  • Zehntausende Venezolaner strömen nach Kolumbien wegen der schwierigen Situation.
  • Die Lage der Flüchtlinge ist oft prekär und wird deshalb oft ausgenutzt.

Tausende Familien und Kinder fliehen derzeit vor der politischen und wirtschaftlichen Situation in Venezuela in die Nachbarländer. In Kolumbien sind laut Schätzungen bereits eine Million Menschen angekommen. Bei einer ersten Situationsanalyse an der kolumbianischen Grenze wurden dem Schweizer Kinderhilfswerk Terre des hommes alarmierende Fälle von Kinderarbeit und «Vermietung von Kindern» gemeldet.

Zusammenbruch der Wirtschaft, Hyperinflation, fehlender Zugang zu Nahrungsmitteln und Medikamenten – in der Hoffnung, dieser Situation zu entkommen, überqueren jeden Tag zehntausende Venezolanerinnen und Venezolaner die Landesgrenzen. Ihre Zahl variiert je nach Quelle: 462'000 sind offiziell in Kolumbien registriert, doch die gängigsten Schätzungen sprechen eher von einer Million. Bis Ende Jahr schätzt man, dass ein Drittel der venezolanischen Bevölkerung ihre Heimat verlassen haben wird. Es handelt sich um eine der grössten Flüchtlingskrisen Südamerikas.

Risiken insbesondere für Kinder

Die Hilfsorganisation Terre des hommes (Tdh) hat sich ein Bild der Situation in der Region Cúcuta gemacht und dafür über 900 Personen befragt, um ihre Bedürfnisse besser zu verstehen. Ihre Lage ist oft prekär, ausserdem befinden sich unter ihnen viele Kinder, die allein unterwegs sind: «Die Menschen erzählen uns, dass Eltern in Venezuela zusehen müssen, wie ihre Kinder an Hunger oder Krankheit sterben. Manche gehen daher lieber das Risiko ein, sie wegzuschicken», erklärt Daniel Cazalda, Tdh-Delegationsleiter in Bogotá.

Doch alleine unterwegs sind die venezolanischen Kinder ein leichtes Ziel für Kinderarbeit und Kinderhandel. In entlegeneren Gebieten laufen Jugendliche Gefahr von bewaffnete Gruppen rekrutiert zu werden. «Die Situation der Kinder ist alarmierend. Sie sind oft gezwungen zu arbeiten, manchmal schon mit sechs Jahren, und sind weiteren Risiken, wie sexueller Gewalt, ausgesetzt. Sie haben keinen Zugang zur Schule und schlafen auf der Strasse. Es gibt ausserdem Fälle von Kinderhandel, von Verkauf und sogar von Vermietung von Kindern als Bettler auf den Strassen oder als Hausangestellte. Viele Mütter machen sich grosse Sorgen, dass ihre Töchter den Versprechungen folgen und in der Prostitution landen», berichtete Marion Prats, Kinderschutz-Beauftragte bei Thd.

Trotz der ernsten Lage und des Ausmasses der Bedürfnisse sind nur wenige Hilfsorganisationen vor Ort. «Die Bedürfnisse sind enorm und humanitäre Hilfe nahezu inexistent. Den Menschen – und vor allem den Kindern – fehlt es an allem», warnte Marion Prats. Terre des hommes plane daher ein Nothilfeprojekt mit Gütern der ersten Versorgung und psychosozialer Unterstützung für Familien und Kinder.

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