Die Tiroler Region Wilder Kaiser geht oft etwas vergessen. In Zeiten von Corona ist man vor Ort froh, dass zumindest die Schweizer Stammgäste treu bleiben.
Wilder Kaiser Tirol
Im Winter warten in der Skiwelt Wilder Kaiser-Brixental 284 Pistenkilometer. - Unsplash
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Das Wichtigste in Kürze

  • In der Tiroler Region Wilder Kaiser bleiben wegen Corona viele Gäste aus.
  • Nun hofft man auf mehr Besucher aus der Schweiz.

Der Frühstücksraum ist fast leer, gerade mal vier Tische sind besetzt. An deren zwei wird «Schwiizerdütsch» gesprochen, am dritten, wo ich sitze, in Zürcher Mundart gedacht, weil ich allein hier bin. Wo bin ich?

Der Ort heisst Scheffau, bis vor zwei Wochen habe ich den Namen nie gehört. Eine kleine Gemeinde in der Tiroler Ferienregion Wilder Kaiser.

Auf einer Anhöhe über dem Dorfkern steht der Leitenhof. Das Vierstern-Superior-Hotel mit 20 Suiten und elf separaten Chalets, versprühen von aussen einen gemütlichen Holz-Charme, sind innen aber topmodern eingerichtet.

Leitenhof Tirol Chalet
Die Chalets im Leitenhof sind wegen Corona mehrheitlich leer. - Robert Wildi

Leider stehen die schmucken Chalets zurzeit fast alle verwaist. Weil Deutschland, der mit Abstand wichtigste Gästemarkt, eine Reisewarnung für Tirol herausgegeben hat, brach eine Stornowelle über die Region ein.

«Das trifft uns gerade sehr hart», sagt Margret Hautz. Die Inhaberin ist zugleich Küchenchefin des Familienhotels und macht heute auch den Frühstücksservice.

«Wir mussten die meisten Mitarbeitenden frühzeitig in die Ferien schicken und sind froh, dass uns wenigstens die Schweizer Gäste noch treu bleiben».

Sie hofft, dass sich die Situation im Hinblick auf die Winterhauptsaison wieder verbessert. Vom Leitenhof bis zur Gondelbahn, die direkt in die SkiWelt Wilder Kaiser-Brixental mit 288 Pistenkilometern führt, sind es nur wenige hundert Meter.

Historischer Gasthof mit modernem Erweiterungsbau

Eine rasche Rückkehr der so wichtigen deutschen Gäste erhofft man sich in der gesamten Ferienregion Wilder Kaiser. Neben Scheffau gehören die Gemeinden Ellmau, Drehort der TV-Serie «Der Bergdoktor», sowie Söll und Going zur Region.

«Und natürlich würden wir uns auch freuen, wenn es noch mehr Schweizer Touristen in unsere wunderbare Gegend schaffen würden». Das sagt Florian Bliem, der zusammen mit seiner Frau Christina das Viersternhotel Postwirt in Söll betreibt.

Postwirt Tirol Maske
Florian Bliem und seine Frau Christina betreiben das Viersternhotel Postwirt in Söll. - Robert Wildi

Im Sommer dieses Jahres wurde hier, rund eine Autostunde ostwärts von Innsbruck, ein aufwendiger Um- und Erweiterungsbau abgeschlossen. Das Hotelier-Paar hat aus dem seit 500 Jahren im Familienbesitz stehenden Betrieb einen voll digitalisierten Ort der Gemütlichkeit erschaffen, mit zweckmässigen Zimmern und geräumigen Suiten.

Dazu eine riesige Wellness- und Fitnessoase sowie einer ausgewogenen und abwechslungsreichen Küche.

Hotel Postwirt Tirol
Die Aussicht vom Balkon des Hotels Postwirt. - Robert Wildi

Als besonders spannend am Postwirt, der mitten in der Fussgängerzone Sölls steht und die Wintersportler mit einem hoteleigenen Shuttle zur nahegelegenen Bergbahn bringt, empfinde ich den offensichtlichen Kontrast zwischen dem topmodernen Erweiterungsbau und dem bereits 800-jährigen Gasthaus.

Wer die alte Schenke betritt, riecht förmlich die reichhaltige Geschichte. So haben sich am über 500 Jahre alten runden Marmortisch Anfang Mai 1945 die letzten deutschen Truppen den Amerikanern ergeben und kurz vor dem offiziellen Kriegsende die Kapitulation unterzeichnet.

Marmortisch Krieg Kapitulation
An diesem Marmortisch unterschrieben die Deutschen ihre Kapitulation. - Robert Wildi

Ich genehmige mir in diesem historischen Ambiente ein Wienerschnitzel mit Pommes und Preiselbeeren und werde nicht enttäuscht. Allfällige überschüssige Kalorien sind im Fitnessraum sofort abtrainiert.

Der Höhepunkt folgt im Infinity-Pool auf dem Hoteldach, aus dem ich die Aussicht auf die umliegenden Gebirgsketten geniesse.

Covid-19-Tests im Stanglwirt

Nachdem mir im Postwirt Söll doch immerhin rund 30 weitere Hotelgäste begegnet sind, erlebe ich bei der Weiterfahrt ins nahe gelegene Going Überraschendes.

Eine Nacht im legendären Stanglwirt steht auf dem Programm und schon bei der Ankunft wird mir klar: Hier gelten andere Gesetze.

Die deutsche Reisewarnung tangiert das Fünfstern-Luxushotel mit Weltruf, das sich wie ein riesiger Gutshof über 12 Hektar erstreckt, nur am Rande.

Stanglwirt Tirol Bar
In der Bar des legendären Stanglwirts herrscht trotz Corona Betrieb. - Robert Wildi

Die aktuelle Auslastung der 170 Zimmer, Studios und Suiten beträgt satte 80 Prozent. Und das in der Oktober-Off-Saison und in einem Jahr, welches von einer globalen Pandemie überschattet wird.

Die durchschnittliche Zimmerauslastung im ganzjährig geöffneten «Hotelpalast» liegt bei 94 Prozent. Bessere Werte als im Stanglwirt gibt es im gesamten Alpenraum nirgends.

Kinder rennen hier barfuss und im Badeanzug durch die Lobby, aber niemand stört sich daran, weil so viel Platz vorhanden ist. Vom Check-In bis zur Suite 116 sind es fast zehn Minuten Fussmarsch, alles inhouse: vorbei am Hotelrestaurant, am Fitnessraum, den Wellnessoasen und einer im Gebäude integrierten Tennishalle mit sechs Plätzen.

So viel Platz ist vorteilhaft in Corona-Zeiten, wo Gedränge und Menschenaufläufe zu Nervosität und Angst führen. Doch selbst ein derart grosses Raumangebot reicht gegenwärtig nicht, um die Leute zum Reisen zu animieren.

Das hat der Stanglwirt früh erkannt und bietet den Gästen für 30 Euro den anerkannten PCR-Covid-19-Test an. Das Ergebnis wird binnen 24 Stunden elektronisch an die Getesteten übermittelt.

«Wir hatten nach Ausbruch der Pandemie eine Flut von besorgten Gästeanfragen und haben mit dieser Massnahme sehr viel Vertrauen schaffen können», sagt Marketingassistentin Katharina von der Thannen.

Ich bin beeindruckt. Vom kleinen Familienhotel mit schmucken Bungalow-Chalets über das Traditionshaus mit dem topmodernen Anstrich bis zum gigantischen Luxushotel mit hohem Gemütlichkeitsfaktor hat die Region Wilder Kaiser alles zu bieten.

Ich werde wiederkommen.

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