Wie der Jakobsweg vor 50 Jahren, ist der Camino Ingaciano, sagt ein Kenner. Auf den Spuren des Heiligen Ignatius warten Einsamkeit, Leiden – aber auch Genuss.
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Die Bergwälder im Baskenland haben etwas Mystisches an sich. - Manuel Meyer/dpa-tmn
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Das Wichtigste in Kürze

  • Der Camino Igaciano, Ignatiusweg, ist ein Pilgerweg in Spanien.
  • Auf 676 Kilometern folgt man den Spuren des Heiligen durch viele reizvolle Landschaften.
  • Neben historischen Lebensmarken sind vor allem die Stille und Einsamkeit beeindruckend.
  • Dadurch ist der Ignatiusweg für Pilger eine Alternative zum gut besuchten Jakobsweg.

Langsam fallen die ersten Sonnenstrahlen auf die mächtige Klosteranlage von Loyola im Baskenland.

Hinter ihren Mauern steht das mittelalterliche Herrenhaus, in dem 1491 der Gründer des Jesuitenordens zur Welt kam: der Heilige Ignatius.

Kathedrale Kloster Nachtansicht Licht Vordereingang Treppe Stufen
Im Kloster von Loyola wurde Ignatius geboren – hier startet der nach ihm benannte Pilgerweg. - Manuel Meyer/dpa-tmn

Wobei: Lange Zeit seines Lebens war Ignatius alles andere als ein Heiliger. Er galt als Frauenheld, als adeliger Lebemann, er war ein Ritter. Als Ignatius 1521 im Krieg gegen die Franzosen schwer von einer Kanonenkugel verletzt wurde, veränderte sich sein Leben.

Im Krankenbett las er Geschichten von Heiligen. 1522 machte er sich schliesslich auf eine Sinn- und Glaubensreise, die ihn quer durch den Nordosten Spaniens von der baskischen Atlantikküste bis nach Manresa bei Barcelona ans Mittelmeer führte.

Auf den Spuren einer spirituellen Reise

500 Jahre später kann man seiner spirituellen Reise, die zur Gründung des Jesuitenordens führte, auf einem Weitwanderweg folgen.

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Die erste Etappe des Weges führt entlang des Flusses Urola auch durch das Bergstädtchen Azkoitia. - Manuel Meyer/dpa-tmn

Entlang des Flusses Urola schlängelt sich der Weg zunächst vom Kloster in Loyola auf ehemaligen Bahnstrecken langsam durch das grüne Tal bis nach Zumarraga.

Hoch über dem schmucken Städtchen thront die alte Wallfahrtskirche Santa María La Antigua mit ihrem prachtvollen Deckengewölbe aus Eichenholz.

Am Kircheingang steht Fermín Lopetegui. Der Baske betreut die Kirche und stempelt Pilgerpässe ab. «Hier schlief und betete auch Ignatius auf seinem Weg», sagt er.

Lopetegui war der erste, der 2012 auf dem neuen Ignatiusweg wanderte. «Damals war der Weg nur grob markiert, Schlafmöglichkeiten gab es kaum», erzählt er.

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Auf 676 Kilometer Länge führt der Ignatiusweg vom Baskenland nach Katalonien. - dpa-tmn

Neunmal ist der 67-Jährige seitdem den 676 Kilometer langen Camino Ignaciano gewandert. Jedes Jahr absolviert der Baske zumindest ein Teilstück. Lopetegui schrieb bereits Bücher über den Weg, führt auf Anfrage auch Gruppen.

Landschaften von Hochgebirge bis Wüstenstrich

Es seien vor allem die unterschiedlichen Landschaften, die den Weg derart reizvoll machen, sagt er.

«Vom Hochgebirge über dichte Wälder und Weinregionen bis hin zu Wüstenstrichen und mediterranen Landschaften sieht man auf dem Ignatiusweg einfach alles.»

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In der Halbwüste Bardenas warten einige der faszinierendsten Felslandschaften Spaniens. - Manuel Meyer/dpa-tmn

Das Eindrucksvollste seien aber die Stille und Einsamkeit, die man auf diesem Weg geniessen könne: «Er ist wie der Jakobsweg vor 50 Jahren.»

Vorbei am Barrendiola-Stausee geht es durch dichte Wälder nun steil hinauf zum Biozkornia-Pass auf über 1200 Meter Höhe. Das Bergkloster von Arantzazu, das nächste Etappenziel, ist nicht mehr weit.

Das spektakulär in einer Bergschlucht liegende Sanktuarium ist so etwas wie das spirituelle Nationalheiligtum der Basken. Der Legende nach erschien hier 1468 einem Hirtenjungen die Madonna.

Xirimiri sorgt für mystische Stimmung

Gleich hinter dem Sanktuarium beginnt eine der schönsten Etappen des Wegs. Doch der Morgen ist verregnet. Nebel hängt über der Schlucht. Es wird immer schwieriger, den orangen Wegweisern zu folgen.

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Der Xirimiri, ein feiner Nebelregen, hüllt die halbwilden Kühe und Pferde im Nationalpark Aizkorri-Aratz in einen dünnen Schleier. - Manuel Meyer/dpa-tmn

Xirimiri nennen die Basken den feinen Nebelregen. Er gibt dem Weg durch die dichten Bergwälder etwas nahezu Mystisches.

Oben bei der Schutzhütte von Urbia auf über 1000 Meter weiden halbwilde Kühe und Pferde in der menschenleeren Wiesenlandschaft mitten im Nationalpark Aizkorri-Aratz.

Beim Abstieg nach Araia verläuft der Weg im dichten Laubwald einige Kilometer auf dem baskischen Jakobsweg und einer alten Römerstrasse, die im Waldboden fast versunken ist.

Es wird voller – ein Stück auf dem Jakobsweg

Malerische Steindörfer säumen den Weg aus den baskischen Bergen. Getreidefelder dominieren jetzt die Hügellandschaft. Es geht quer durch Spaniens Rotweinparadies La Rioja. Weinberge, so weit das Auge reicht.

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Mittelalterliche Gassen prägen das Stadtbild von Laguardia in der Weinbauregion Rioja Alavesa. - Manuel Meyer/dpa-tmn

In Navarrete schlief Ignatius beim befreundeten Herzog von Nájera, dessen rustikaler Palast heute ein nettes Hotel ist: die Posada Ignatius.

Zwischen Navarrete und Logroño verläuft der Ignatiusweg auf dem Jakobsweg – in entgegengesetzter Richtung.

«Nach den einsamen Tagen in den baskischen Bergen ist es ist immer wieder komisch, plötzlich auf so viele Wanderer zu treffen», sagt Imanol Goikoetxea. Mit seinem Unternehmen «Slow Walking» begleitet er Gruppen auf dem Ignatiusweg.

In der Provinzhauptstadt Logroño gibt es zunächst kein Weiterkommen – es duftet einfach zu verführerisch.

In den Strassen der Altstadt mit ihrer barocken Kathedrale reiht sich eine Tapas-Wein-Bar an die andere. Ein Ausritt in die Weinberge, Bodega-Besichtigungen, erstklassige Gastronomie – es gibt viel zu erleben.

La Rioja sei ein guter Ort für eine Wanderpause, bevor es in das weite, schattenlose Ebro-Tal und die Wüstenlandschaften Navarras und Aragoniens geht, sagt Wanderguide Goikoetxea.

Die Leiden beim Pilgern

Entlang des Ebros geht es auf dem Ignatiusweg weiter in Richtung Saragossa, der Hauptstadt Aragoniens. Die eindrucksvolle Basilika del Pilar gilt als älteste Stätte der Marienverehrung der Christenheit.

Kurz hinter Saragossa beginnt der härteste Teil des Weitwanderwegs – die Wüstenlandschaft der Los Monegros. Unbarmherzig brennt die Sonne. Eine Steppenlandschaft, es gibt kaum Dörfer, um an Wasser zu kommen.

Unweigerlich denkt man in der unwirtlichen Einsamkeit an die Worte Goikoetxeas zurück: «Man muss auf dem Ignatiusweg auch ein wenig leiden. Auch das gehört zum Pilgern.»

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Das Sonnensymbol weist den Weg in Richtung Montserrat. - Manuel Meyer/dpa-tmn

Im Hinterland Kataloniens prägen dann Obstbäume und Getreidefelder die nun wieder grüner werdende Landschaft.

Anstatt der bisher orangen Wegweiser zeigt ein Sonnensymbol den weiteren Weg. Über Stationen in Lleida, El Palau d'Anglesola und Verdú geht es Richtung Montserrat.

Übernachtung im Kloster mit Ausblick

Die gezackte Bergsilhouette ist schon von weitem zu sehen. Drei Tage legte Ignatius hier im Kloster vor der «Schwarzen Madonna» seine Beichte ab, verzichtete endgültig auf sein vorheriges Leben.

Das aus den Felsen wachsende Bergkloster ist ein magischer Ort.

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Das Kloster scheint aus den Felsen des Bergs Montserrat zu wachsen – der Ausblick ist überragend. - Manuel Meyer/dpa-tmn

Sobald die Tagestouristen wieder nach Barcelona verschwinden, haben Pilger, die hier in Herbergen schlafen können, das Kloster mitsamt der Panorama-Ausblicke nach den allabendlichen Gesangsmessen der Mönche für sich alleine.

Angekommen in Manresa

Die letzte Etappe steht an, 25 Kilometer sind es noch bis zum Endziel des Weges. Vorbei an der Einsiedelei Santa Cecilia führt der Weg vom Berg Montserrat hinab nach Manresa.

Hier, in einer Höhle am Flussufer, schrieb Ignatius die Exerzitien auf.

Drumherum haben die Jesuiten ein gewaltiges Kloster gebaut, in dem auch eine Sandale, persönliche Gegenstände und ein Schriftstück vom Heiligen Ignatius ausgestellt werden.

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Beeindruckende Kulisse: Pilger können in den Herbergen des Klosters von Montserrat übernachten. - Manuel Meyer/dpa-tmn

Die Exerzitien – oder geistlichen Übungen – bilden heute den Grundstein des Jesuitenordens, dem auch Papst Franziskus angehört. Das sagt Jesuitenpater José Luis Iriberri, während er mir die Ignaciana ausstellt.

Das Pilger-Zertifikat bekommt jeder, der mindestens 100 Kilometer des Wegs zu Fuss oder 200 Kilometer per Rad zurückgelegt hat.

Die einsame Alternative zum bekannten Pilgerweg

Iriberri leitet nicht nur das zentrale Ignatius-Pilgerbüro, sondern konzipierte auf Basis historischer Dokumente auch den erst vor zehn Jahren eröffneten Ignatiusweg.

«Der Weg stellt eine interessante Alternative zum Jakobsweg dar», sagt der Pater.

«Du folgst hier einem historischen Weg und lernst auf ihm eine historische Person kennen. Auf dem Jakobsweg gehst Du nur zu einem Grab. Der Apostel Jakob pilgerte niemals nach Santiago de Compostela.»

Und der Ignatiusweg bietet Einsamkeit und Stille: 2019, im letzten Jahr vor der Pandemie, erreichten nur 2500 Pilger Manresa. Den Jakobsweg gingen im selben Jahr 350 000.

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