Sommerferien: Ist es eine Umweltsünde, ins Meer zu pinkeln?
Ein kleiner Moment, der grosse Fragen aufwirft: Darf man ins Meer pinkeln – oder ist das eine Umweltsünde? Wir klären auf.

Das Wichtigste in Kürze
- Urin im Meer? In offenen Gewässern meist unproblematisch – sogar Nährstoff für Mikroben.
- In Riffen tabu: In sensiblen Ökosystemen kann Urin das Gleichgewicht stören.
- Das wahre Problem: Abwässer, Sonnencremes, Mikroplastik – nicht der Harndrang.
Es ist der wohl ehrlichste Moment im Sommer: Man planscht im warmen Meer, spürt das sanfte Wiegen der Wellen – und plötzlich meldet sich die Blase. Zurück an den Strand? Barfuss übers heisse Pflaster zur Toilette?
Oder ... einfach laufen lassen? Ein Blick nach links, ein Blick nach rechts. Niemand schaut.
Die Versuchung ist gross.
Was wie ein kleines Sommertabu klingt, gehört längst zur stillen Realität vieler Badeferien – und sorgt regelmässig für hitzige Diskussionen: Darf man das eigentlich? Oder schadet das der Umwelt?
Zeit, dem Ganzen auf den Grund zu gehen – mit einem Schuss Wissenschaft, einer Prise gesundem Menschenverstand und einem Augenzwinkern. Denn nicht alles, was im ersten Moment unangebracht wirkt, ist tatsächlich problematisch.
Kein Grund für ein schlechtes Gewissen
Menschlicher Urin besteht zu 95 Prozent aus Wasser. Die restlichen fünf Prozent? Harnstoff, Salze, ein wenig Ammoniak – und winzige Spuren von Medikamenten oder Hormonen. Alles Stoffe, die im Meer ohnehin vorkommen und dort durch natürliche Prozesse abgebaut werden.
Harnstoff beispielsweise wird von Bakterien und Mikroorganismen rasch zu Ammonium und Nitrat umgewandelt. Ein ganz normaler Bestandteil des marinen Stickstoffkreislaufs. Für viele Kleinstlebewesen ist das sogar ein willkommener Nährstoff.
Im offenen Meer oder an grosszügigen Stränden mit guter Wasserzirkulation ist das menschliche Bedürfnis absolut unproblematisch. Selbst die Meeresbiologie gibt Entwarnung: Fische, Wale und andere Meerestiere pinkeln schliesslich auch. So gibt ein Blauwal durchschnittlich pro Tag 1000 Liter Urin ins Meer ab.
Naturschutz fängt nicht beim Pinkeln an
Anders sieht es in sensiblen Ökosystemen aus, etwa in kleinen Buchten, Lagunen oder Korallenriffen. Hier können erhöhte Nährstoffeinträge das ökologische Gleichgewicht stören – beispielsweise durch übermässiges Algenwachstum. Wer also durch farbenprächtige Riffe schnorchelt, sollte seine Flüssigkeiten besser an Land lassen.
Die eigentlichen Problemfälle für unsere Meere sind ganz andere: Unbehandelte Abwässer von Kreuzfahrtschiffen, Sonnencremes mit schädlichen Inhaltsstoffen, Mikroplastik oder achtlos weggeworfener Abfall.
Wer also sein ökologisches Gewissen beruhigen will, sollte eher beim Sonnenschutz oder beim Verpackungsmaterial ansetzen. Und nicht beim harmlosen Druck auf der Blase. Nur eines gilt immer: Respekt vor den Mitbadenden. Ein paar Meter Abstand können nicht schaden.
Hinweis: Dieser Artikel wurde zuerst auf «Travelnews.ch» publiziert.