Sie serviert im Dunkeln – und erlebte einen Heiratsantrag
In der Zürcher «Blindekuh» bedienen Sehbehinderte und Blinde die Gäste. Servicefrau Noemi Hofmann erzählt von ihrem besonderen Arbeitsalltag – und einem Antrag.

Das Wichtigste in Kürze
- Sehbehinderte und Blinde bilden das Herz der «Blindekuh» in Zürich.
- Das weltweit erste Dunkelrestaurant zählt auf ein buntgemischtes Serviceteam.
- Die 26-jährige Noemi Hofmann erzählt aus ihrem Alltag.
Die «Blindekuh» entführt seit 26 Jahren neugierige Gäste aus aller Welt ins Dunkle. Sehbehinderte und blinde Mitarbeitende ermöglichen dieses besondere Erlebnis. Sie bewegen sich routiniert im völlig abgedunkelten Restaurant und sind sichere Anlaufstellen für die tafelnde Kundschaft.
Die 26-jährige Noemi Hofmann gehört zu den Angestellten, die im weltweit ersten Dunkelrestaurant die Gäste umsorgen.
Gerne erinnert sie sich an einen speziellen Moment: «Ich bediente ein Paar. Nach dem Dessert machte der Mann der Frau einen Heiratsantrag. Sie nahm an.»
Natürlich geschah auch dies in völliger Dunkelheit, denn im Gastraum in der ehemaligen Kirche im Zürcher Seefeld sind Lichtquellen unerwünscht.
Noemi Hofmann arbeitet mit einem kleinen Pensum bei der «Blindekuh». Sie hat an der Fachhochschule ein Studium in Sozialer Arbeit absolviert und ist hauptberuflich als Sozialarbeiterin tätig.
«Noch während des Studiums schrieb ich eine Bewerbung an die ‹Blindekuh›. Ich wurde zum Gespräch eingeladen und bald engagiert», erzählt Noemi, die seit Geburt stark sehbehindert ist.
Zum Start eine Polonaise
Einen Abend pro Woche widmet sie sich den Gästen im Dunkelrestaurant. «Der Job ist schön, aber auch herausfordernd. Man muss mit sehr unterschiedlichen Leuten umgehen können.»
Im eigentlichen Restaurant arbeiten ausschliesslich Blinde und Sehbehinderte. Sie holen die Gäste an der Reception (im Hellen) ab und führen sie in einer Art Polonaise zum reservierten Tisch.

«Ich rate Gästen, Geschirr und Besteck langsam von der Tischkante her zu ertasten und keinesfalls aufzustehen, ohne mich zu rufen.» Grund: Die Gäste könnten den Serviceleuten in die Quere kommen, die sich an genau vorgeschriebene Wege zwischen Essensausgabe und Tischen halten.
Die Mitarbeitenden hören sich gegenseitig
«Bin ich im Restaurant unterwegs, spreche ich immer ‹Service, Service› vor mich hin. Dies, damit mich meine Kolleginnen und Kollegen wahrnehmen», so Noemi Hofmann. An der Haptik des Geschirrs erkennt sie, ob es sich um Teller mit Fleisch, Fisch, vegetarischen oder veganen Speisen handelt.
«Pro Abend bediene ich bis zu 25 Gäste. Ich kann ja keine Bestellungen notieren. Deshalb frage ich beim Service immer, welcher Gast welches Gericht kriegt.»

Die Gäste, erklärt Noemi Hofmann, seien in der Regel sehr nett und verständnisvoll. «Einige haben aber Mühe mit dem Handyverbot. Helle Bildschirme gehören wie beleuchtete Zifferblätter definitiv nicht in die ‹Blindekuh›.»
Fragen von der Sorte: «Ist es für dich hier auch dunkel?» kontert Noemi mit einer originellen Antwort oder einer Gegenfrage.
Ist das Restaurant ausgebucht, kümmern sich drei Servicemitarbeitende um die Kundschaft. Eine Fachkraft steht an der Bar und übernimmt die Getränkeausgabe.
«Fahre ich spätabends im Zug nach Hause, so bin ich jeweils rechtschaffen müde», bilanziert Noemi Hofmann. «Aber es ist ein schönes Gefühl, vielen Menschen eine Freude und ein besonderes Erlebnis bereitet zu haben.»
Neue Mitarbeitende gesucht
Damit die «Blindekuh» in Zürich ihrer Aufgabe weiter nachkommen kann, sucht sie sehbehinderte und blinde Serviceangestellte. Berufserfahrung ist nicht notwendig, eine ausführliche Einarbeitung wird garantiert. Die «Blindekuh» unterhält seit 20 Jahren auch einen Standort in Basel, in der Nähe des Bahnhofs SBB.








