Scottsdale, Arizona: The United Space of America
In Scottsdale wird Weite zur Haltung: ein Ort, der einen nicht einengt, sondern erweitert. Den Blick, das Denken, das Leben. Hier darf man sich gerne verlieren.

Das Wichtigste in Kürze
- Scottsdale liegt in der Sonora-Wüste, einer der artenreichsten Wüsten der Welt.
- Das ADERO Hotel ist Teil einer Dark Sky Community und lädt regelmässig Astronomen ein.
- Rund 400 Wildpferde leben frei entlang des Salt River.
Die erste Erkenntnis kam im Morgengrauen. Als der Heissluftballon über dem Happy Valley aufzusteigen begann, wurde sie zur Gewissheit. Es war, als würde sich der Blick lösen. Von allem. Von Kategorien, Aufgaben, Richtungen. Keine Strassen. Keine Städte. Nur Land. Licht. Linien im Sand, die niemand gezogen hat.
Arizona wirkt aus der Luft wie ein impressionistisches Gemälde in Orange- und Ockertönen, eingerahmt von Stille. Was unten liegt, ist der Raum, in dem vieles beginnt. Das Land, das viele nur aus Western kennen. Doch Scottsdale, der kleine, kluge Nachbar von Phoenix, hat daraus etwas anderes gemacht: Einen Ort, an dem man nicht ankommt, sondern weiter wird.
Die Champagnerflasche wird nach der Landung geöffnet. Eine Tradition aus Frankreich, als Ballonfahrer noch unbekannte Felder durchkreuzten und den Bauern mit Schaumwein zu verstehen gaben: Wir meinen es gut. Heute ist sie ein Ritual geblieben – ein stilles Dankeschön an die Erde.
Und vielleicht der schönste Auftakt für eine Reise, die nichts Geringeres verspricht als das grösste Luxusversprechen der Gegenwart: Raum.
Rodeo: Wo Tradition Raum bekommt, sich neu zu erfinden
Dave Alford steht an der Absperrung wie ein Mann, der nichts mehr beweisen muss. Fünf Kinder hat er grossgezogen. Alle in der Rodeo-Branche. Er selbst war Rodeo-Profi, bevor er das Museum mitbegründete, das heute in Prescott steht – der ältesten Rodeostadt der USA.

Scottsdale ist eines seiner liebsten Pflaster. Hier, wo Western-Spirit und Selbstinszenierung kein Widerspruch sind. Die komplette Crew der Serie Yellowstone war bei seinen Veranstaltungen. Der Boom der Show hat auch dem echten Rodeo neues Leben eingehaucht.
Dabei geht es längst nicht mehr nur um Männer und Marlboro-Romantik. Frauen dominieren mittlerweile eigene Kategorien wie „Breakaway Roping“. Dave zeigt stolz auf seine Enkelin, die gerade aus dem Sattel springt wie ein Profi.
Es ist das, was Scottsdale im Kern ausmacht: ein respektvoller Umgang mit Geschichte, der zugleich offen für Neues bleibt. Ein Ort, der nicht festhält, sondern weiterträgt. Auch das ist Space: nicht Enge, sondern Bewegungsfreiheit für das, was war und das, was kommen darf.
Sterne schauen im ADERO: Space in seiner reinsten Form
Wenn die Sonne untergeht über Scottsdale, beginnt das Schauspiel in der anderen Richtung. Das ADERO Hotel liegt am Rand der Sonora-Wüste und ist das erste Resort im Raum Phoenix/Scottsdale mit dem Siegel einer „Dark Sky Community“. Lichtverschmutzung? Fehlanzeige. Hier darf der Himmel noch dunkel sein. Und weit.

Jede Woche kommt ein Astronom aus dem nahen Fountain Hills ins Hotel, bringt Teleskope mit, erzählt Geschichten über rote und blasse Sterne, die entweder alt und kalt oder jung und heiss sind. Man lernt, dass Planeten das Licht nur reflektieren und Sterne selbst leuchten. Der Blick wandert durch das Linsensystem in ein anderes Zeitempfinden. Alles scheint langsamer zu sein. Und grösser.
Im ADERO kann man dieses Gefühl konservieren. Die Architektur ist so gebaut, dass der Raum wirken kann: Fensterfronten, breite Terrassen, ein stilles Spa mit Blick in die Wüste. Kein Ort, an dem man sich einigelt. Sondern einer, an dem man sich ausdehnt. Wer hier schläft, wacht anders auf.
Raum für Kreativität
Scottsdale ist nicht nur Staub und Westernnostalgie. Es ist auch ein Creative Hub. Und das auf ziemlich organische Weise. Im Cattle Track Arts Compound, einem historischen Künstlerdorf, leben und arbeiten seit Jahrzehnten einige der interessantesten Künstler Arizonas. Hier entstehen Skulpturen aus Metall, Töpferwaren, Druckgrafiken und Malerei – alles in direkter Verbindung zur Natur und Umgebung.
Kein Zufall: Frank Lloyd Wrights Taliesin West liegt nur wenige Minuten entfernt und hat Generationen von Kreativen inspiriert. Wright glaubte an „organische Architektur“, an Räume, die aus der Landschaft wachsen. In Scottsdale wird dieses Prinzip auch im übertragenen Sinne gelebt.
Die Künstlerin Mary, deren Werke teilweise für über 20.000 Franken verkauft werden, ist nur eine von vielen, die hier ihren Ausdruck gefunden haben. Der Spirit in Cattle Track ist kollektiv: Man lebt zusammen, man arbeitet zusammen, man inspiriert sich gegenseitig.

Ateliers sind offen, Besucher willkommen. Es gibt Workshops, kleine Konzerte, Ausstellungen, aber vor allem gibt es Platz. Platz, um zu schaffen. Um sich zu verlieren. Und wiederzufinden. Kreativität braucht Raum und Scottsdale gibt ihn.
Am wilden Fluss
Wenn man am frühen Morgen den Salt River entlang paddelt, ist es schwer, an etwas anderes zu denken als: So fühlt sich Freiheit an. Die Sonne tastet sich langsam über die roten Felsen, das Wasser ist klar und kühl, am Ufer grasen wilde Pferde.
Unbeeindruckt von Touristen, die mit Kajaks, Paddleboards oder auf Gummireifen flussabwärts treiben. Sie gehören hierher, die Tiere, so sehr wie der Fluss selbst. Es gibt rund 400 von ihnen im Valley. Ihre Präsenz wirkt fast magisch. Als würden sie den Übergang markieren zwischen Natur und Mythos.
Die Gegend ist Heimat der Pima, eines der ältesten indigenen Völker Arizonas. Schon ihre Vorfahren, die Hohokam, haben vor Tausenden Jahren hier gelebt und Bewässerungssysteme gebaut, deren Prinzipien bis heute erhalten sind.

Noch heute lebt der Respekt vor der Natur in der lokalen Kultur fort. 90 Prozent aller Pflanzen, die hier wachsen, sind essbar oder heilend. Der Creosote-Busch zum Beispiel: Eine uralte Heilpflanze, die bei Erkältung, Hautproblemen und seelischen Zuständen eingesetzt wurde.
Scottsdale ist keine Stadt, die die Wüste nutzt. Sie ist eine Stadt, die in Beziehung zu ihr lebt. Das Licht, das über die Felsen zieht, die Hitze, die in den Nächten wieder abfällt, die Tiere, die hier leben – all das ist Teil eines grösseren Raums. Eines inneren und äusseren Kosmos.
Wer hier unterwegs ist, merkt schnell: Natur ist keine Kulisse. Sie ist Mutter und Lehrmeisterin zugleich.
Grand Canyon: Die ultimative Weite
Ein paar Stunden nördlich beginnt das, was viele für den Höhepunkt Arizonas halten. Der Grand Canyon. Und ja, er ist eine Wucht. Aber wer nur seine Dimensionen betrachtet, verpasst das Wesentliche. Denn es geht hier nicht nur um Tiefe. Sondern um Weite.
Ein Helikopterflug, (zum Beispiel mit Maverick) über das Gebiet zeigt die grösste zusammenhängende Kiefernwaldfläche der USA. Kein Ort, kein Haus, keine Strasse. Nur Space. Reinster, ungefilterter Space. Die Navajo nennen diese Weite heilig. Elf indigene Stämme teilen sich das Gebiet rund um den Canyon.
Der Colorado River, der ihn durchschneidet, wirkt aus der Luft schmal wie ein Band und ist doch so mächtig, dass er die Erde formt. Ranger bringen jeden zweiten Tag Vorräte zu den wenigen Unterkünften unten im Canyon. Wer hinab will, braucht einen Guide oder ein strammes Maultier.

Der Canyon ist kein Ort für Eile. Im Sommer herrschen bis zu 50 Grad Unterschied zwischen Tag und Nacht, oben und unten. Wer hier wandert, lernt Demut.
Wer sich Zeit nimmt, erkennt: Die wahre Erfahrung liegt nicht im Foto. Sondern im Gefühl. Arizona zeigt es mit brutaler Schönheit: Man kann in die Tiefe schauen und trotzdem Weitblick gewinnen.