Der Leichtathletikverband will faire Wettkämpfe garantieren und legt für Frauen einen Testosteron-Maximalwert fest. Caster Semenya wehrt sich gegen die Regel.
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Caster Semenya läuft ihrer Konkurrenz am Diamond Meeting Weltklasse Zürich 2018 über 800 Meter davon. - Keystone
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Das Wichtigste in Kürze

  • Als Frau gilt man in der Leichtathletik bis zu einem gewissen Wert an Testosteron im Blut.
  • Wer darüber liegt, muss das Testosteron mit Medikamenten senken.
  • Für Olympiasiegerin Caster Semenya ist diese Regel diskriminierend.

Nächste Woche entscheidet der Sportgerichtshof CAS in Lausanne die Frage, wann eine Frau eine Frau ist. Oder: Ab wann eine Frau zu männlich ist, um in der Kategorie «Frau» starten zu können.

Der Fall Caster Semenya

Der Internationale Leichtathletik-Verband IAAF hatte im Sommer 2018 eine folgenschwere Entscheidung gefällt. Der Testosteronwert in der Kategorie «Frau» darf 5 Nanomol pro Liter Blut nicht überschreiten. 99 Prozent aller Frauen weisen ein Level deutlich darunter auf.

Manche Menschen sind jedoch per Geburt nicht so eindeutig einem biologischen Geschlecht zuzuordnen. Beispiel: Caster Semenya. Die 28-jährige Südafrikanerin ist intersexuell.

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Caster Semenya bei einem 800-Meter-Rennen in Berlin 2010. Etwa ein Prozent aller Menschen sind intersexuell. - Keystone

Sie hat eine Vagina, keine Gebärmutter – dafür Hoden, die im Bauch liegen. Die Hoden produzieren Testosteron, weshalb Semenya deutlich mehr des männlichen Sexualhormons im Blut hat.

Resultat: Sie gewann zweimal Olympisches Gold und drei WM-Titel über 800 Meter. Dass Frauen mit einem höheren Testosteronlevel gewinnen, ist wenig erstaunlich. Meist gewinnen im Sport diejenigen, welche die genetisch besten Voraussetzungen für eine Disziplin mitbringen.

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Caster Semenya verlässt nach der Anhörung den CAS in Lausanne. Der Sportgerichtshof bestätigte den Regel des Leichtathletikverbands IAAF, wonach es für Frauen einen maximalen Testosteronwert gibt. - keystone

Weniger Testosteron, weniger schnell

Semenya argumentiert nun, dass sie diskriminiert und die Vielfalt des Frauseins eingeschränkt werde, wenn sie von Wettkämpfen ausgeschlossen würde. Sie hat deswegen beim CAS die neuen IAAF-Regeln bezüglich Intersexualität angefochten.

Sportgerichtshof Schachtar Donezk
Der Sportgerichtshof CAS in Lausanne entscheidet im Fall von Schachtar Donezk. - Keystone

Als Semenya ihren Testosteronspiegel mit Medikamenten senken musste, wurde sie mehrere Sekunden langsamer. Sie gewann keine internationalen Rennen mehr. Erst als der IAAF mangels eindeutiger Beweise die Regeln anpassen musste, konnte sie die Medikamente wieder absetzen. Und gewann wieder.

Leichtathletikverband veröffentlicht Private Daten

Semenya ist jedoch nicht allein. Die ARD hat fünf nahezu identische hyperandrogene Fälle recherchiert. Diese wurden bisher nicht öffentlich diskutiert.

Dabei haben die Journalisten Datenschutzverstösse der IAAF festgestellt. Medizinische Daten zahlreicher Athletinnen waren öffentlich zugänglich. Dabei droht gerade Intersexuellen aufgrund ihrer Andersartigkeit in gewissen Ländern Ungemach.

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Eine Leiche in Karachi, Pakistan. Unbekannte hatten die Person im August 2017 aufgrund ihrer Intersexualität getötet. Zwischen 2014 und 2017 gab es insgesamt 62 Fälle von Transgender-Tötungen. - Keystone

Sollte der IAAF recht bekommen, müssten Menschen wie Caster Semanya ihren Testosteronspiegel künstlich senken. Nur so könnten sie weiter in der Kategorie «Frau» starten. Der Sport kennt nur die Kategorien «Mann» und «Frau».

Welche Eingriffe in den Körper kann ein Sportverband Menschen zumuten, um einen «fairen» Wettbewerb zu garantieren? Das Urteil wird bis zum 26. März erwartet. Klar ist jetzt schon: Der Entscheid wird entweder die biologischen Frauen oder die Intersexuellen enttäuschen.

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