Immer mehr Kinder sind übergewichtig. Bewegungsmangel und Essgewohnheiten zählen zu den Ursachen dafür: Darum sind auch die Eltern in der Pflicht.
Kind dick Löffel Dessert
Kinder reagieren auf ihre Umwelt und können wenig gegen Übergewicht tun – umso mehr sind die Eltern gefordert. - Markus Scholz/dpa/dpa-tmn

Das Wichtigste in Kürze

  • Seit der Corona-Pandemie haben Übergewichtigkeit und Adipositas bei Kindern zugenommen.
  • Ursachen sind mangelnde Bewegung und Ernährung, aber auch Hormone spielen eine Rolle.
  • Hilfe bringt eine Änderung des Lebensstils – dabei sind Eltern stark mitverantwortlich!
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Es ist nicht erst seit Corona ein Problem, doch die Pandemie hat die Lage noch einmal verschlechtert: Es geht um Übergewicht und Adipositas bei Kindern und Jugendlichen.

«Es stellt ein zentrales Gesundheitsproblem dar», sagt Oliver Huizinga von der Deutschen Adipositas-Gesellschaft (DAG).

Huizinga warnt: «Seit der Corona-Pandemie hat Adipositas unter den Jüngsten zugenommen, und im Jugendalter findet sich bereits eine hohe Zahl an Betroffenen mit extremer Adipositas und bestehenden Begleiterkrankungen.»

Wann man von Adipositas spricht

Adipositas ist als eine über das Normalmass hinausgehende Vermehrung des Körperfetts definiert. Die Berechnungsgrundlage ist der Body Mass Index, bei dem das Alter und das Geschlecht miteinbezogen werden («BMI-SDS»).

So gelten ein 163 cm grosser 14-Jähriger ab etwa 72 Kilogramm und eine 150 cm grosse 12-Jährige ab 58 Kilogramm Körpergewicht als adipös.

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Der Anteil übergewichtiger Schulkinder ist leicht zurückgegangen. (Archivbild) - sda - KEYSTONE/CHRISTIAN BEUTLER

Ist ein Kind übergewichtig, kann das Risiko für Erkrankungen erhöht sein.

Das gilt für Diabetes, Nicht-alkoholische Leberverfettung, Störungen des Fettstoffwechsels ebenso wie für Herz-Kreislauf-Erkrankungen und für Störungen der psychosozialen Entwicklung, zählt Huizinga auf.

Die Gründe für Übergewicht sind rasch erklärt: «Im Prinzip bekommt der Körper zu viel Energie von Lebensmitteln und verbraucht zu wenig in Form von Bewegung», sagt der Experte. Dadurch entsteht ein Überschuss, der als Fett in den Fettzellen gespeichert wird.

Der unterschätzte Einfluss der Hormone

Zudem spielen Hormone eine Rolle, die oft unterschätzt wird. «Sie sind die Botenstoffe im Körper und regulieren das Wachstum sowie das Gewicht», sagt Prof. Martin Wabitsch.

Dabei sind alle Hormone gemeint, die mit dem Wachstum und dem Energiehaushalt zu tun haben.

Das Schilddrüsenhormon (Thyroxin) reguliert zum Beispiel den Stoffwechsel und die Körpertemperatur. Ist zu wenig davon im Körper, nimmt die Person zu. Bei zu viel Thyroxin nimmt sie ab.

Das sogenannte «Hungerhormon» Leptin wiederum wird im Fettgewebe gebildet und meldet dem Gehirn, wie viel Energie gespeichert vorliegt.

«Wenn Fettmasse abgebaut wird und der Leptinspiegel in Folge sinkt, wird – überlebensnotwendig – starker Hunger ausgelöst und das Individuum sucht nach Essen», erklärt Wabitsch.

Es sei also falsch zu denken, dass die Gewichtsregulation nur der willentlichen Entscheidung des Individuums zugeordnet wird, stellt der Mediziner und Forscher klar.

«Zunächst sind es die Hormone, die das Körpergewicht langfristig regulieren.» Kurzzeitige Gewichtsänderungen – um etwa zehn Prozent – könnten willentlich erreicht werden.

«Langfristige Gewichtsabnahmen sind aber nur durch einen extrem kontrollierten Lebensstil möglich.»

Zwar sind wir im Schnitt aktiver geworden, aber die Fälle von Fettleibigkeit nehmen zu. Eine der Ursachen: Bildungsferne Schichten.
Zwar sind wir im Schnitt aktiver geworden, aber die Fälle von Fettleibigkeit nehmen zu. Eine der Ursachen: Bildungsferne Schichten. - BFS

Bedeutet das, dass das Kind nichts gegen seine Adipositas «kann»? Ja und nein, lautet die Antwort.

«Das Kind selber kann wenig tun», sagt Wabitsch. Denn es reagiert unbewusst auf die Umwelt, das Nahrungsangebot und die Möglichkeit der Bewegung.

Ohne strenge Kontrolle von aussen wird das Ernährungs- und Bewegungsverhalten durch die äusseren Reize und Möglichkeiten vorgegeben. «Das Gewicht pendelt sich auf einem maximalen Wert ein.»

Nicht nur die Bewegung im Blick haben

Sport allein genügt nicht: Fokussiert man sich nur auf die Bewegung, überschätzt man deren Effekt und die dabei verbrannten Kalorien. Und man unterschätzt die Rolle der Ernährung.

«Bewegungsförderung allein reicht daher bei weitem nicht aus», stellt Huizinga klar.

Ist ein Kind übergewichtig, kann es nur mit Unterstützung der Eltern etwas ändern. «Sie dienen als Vorbilder, als diejenigen, die die Umgebung gestalten», sagt Mediziner Wabitsch.

Auch Mütter und Väter sollten deswegen so gut es geht auf gezuckerte Getränke, Fruchtsäfte, energiereiche Snacks und Fertigprodukte verzichten.

Die Zeit vor den Bildschirmen sollten sie ebenfalls reduzieren und sitzende Tätigkeiten durch Gruppenaktivität mit Bewegung im Freien ersetzen.

Denn um langfristig etwas zu verbessern, braucht es einen anderen Lebensstil. Und die Eltern müssen das vorleben.

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