Der Tod eines geliebten Menschen kann einem den Boden unter den Füssen wegreissen. Doch wie erleben und überwinden Familien diesen Schmerz?
Verwelkte Rosen.
Als Elternteil funktioniert man einfach weiter. - unsplash
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Das Wichtigste in Kürze

  • In der Schweiz sterben jedes Jahr 500 Kinder unter 18 Jahren.
  • Die Hinterbliebenen sind oft überfordert und alle Familienmitglieder trauern anders.
  • Leider ist der Tod und die folgende Trauer immer noch ein Tabuthema.
  • Familienbloggerin «MOMof4» teilt auf Nau.ch Ihre Erfahrung zum Verlust ihres Mannes.

Und plötzlich reisst es einem den Boden unter den Füssen weg. Ob der Tod langsam durch eine Krankheit oder plötzlich durch einen Unfall oder unglücklichen Zufall kommt. Auf den Schmerz kann man sich nicht vorbereiten.

Er ist allmächtig. Er ist eine Schwere, die einem lähmt. Ich glaube, es gibt kaum Worte, die beschreiben, was man fühlt, wenn der Partner, die Partnerin oder ein Kind stirbt.

Leider ist es mir passiert. Mein über alles geliebter Mann starb letzten November völlig unerwartet. Unsere vier Kinder waren zu diesem Zeitpunkt zwischen vier und 16 Jahren jung. Ich war 40 Jahre alt.

Ich kann mich noch an jedes Detail erinnern. Nur sein Geruch kommt nie wieder.

Mit dem Tod kommt Unglaubliches auf einem zu

Am Anfang sind unerwartet viele Dinge zu erledigen. Die Administration hört fast nicht auf. Erst ist es die Beerdigung, die Überführung in die Kirche oder einem Friedhof und die Abschiedsfeier. Dann alle Abmeldungen und Umschreibungen von Verträgen.

Es kann einem vorkommen, dass man plötzlich ohne Bankkarten da steht. Das kommt, da per Gesetz alle Bankkonti vom Verstorbenen (oder alle gemeinsamen) gesperrt werden. Um dem vorzusorgen, sollten Ehepartner auch noch ein Konto nur auf den eigenen Namen führen.

Leider ziehen sich die administrativen Aufgaben je nach Fall sehr in die Länge. Um das Kindeswohl zu hüten, wird auch die KESB für die Erbverteilung von den Behörden eingeschaltet. Auch dies führt zu einer zusätzlichen Belastung.

Als Elternteil funktioniert man einfach weiter

Der schwerste Teil der gesamten Trauerarbeit ist die Sorge um die Kinder. Ich kann mich erinnern, wie ich den Kindern mitteilen musste, dass ihr Vater verstorben ist. Es hat mir das Herz zerrissen.

Porzellanengel in Hand.
Der schwerste Teil der gesamten Trauerarbeit ist die Sorge um die Kinder. - zVg

Ich habe es jedem Kind einzeln gesagt und nahm es in die Arme. Es schmerzte mich so sehr, dass die Kinder diese furchtbare Erfahrung machen müssen.

Anfangs war ich vor allem körperlich betroffen. Ich konnte nicht mehr einschlafen, durchschlafen schon gar nicht und manche Tage zitterte ich am ganzen Körper.

Doch was sollten die Kinder denken? Ich konnte mich fast nicht kontrollieren und hatte Angst, mein Schmerz würde die Kinder noch mehr runter reissen.

Und prompt. Nach zwei Wochen ungefähr begannen meine Kinder zu reklamieren, kaum sahen sie mich mit Tränen. Auch Menschen im nahen und weiteren Umfeld sind überfordert, wenn sie einen ständig weinen sehen.

Wie ein Schutz fängt man einfach an zu funktionieren. Die Struktur im Alltag hilft einem, dass die Zeit vorbeigeht. Bei der Arbeit wollte ich ja nicht auffallen. Zu Hause habe ich die Kinder versorgt, den Haushalt geschmissen und dabei einfach versucht zu überleben.

Wie wird man allem gerecht? Jeder trauert anders

Manche Menschen versuchen, alles beim grössten Schmerz zu verdrängen. Eltern versuchen, ihre Kinder vor schlechten Gefühlen zu schützen. Dabei meinen sie nicht über den Tod und die Trauer zu sprechen, wäre das Beste.

Viele Angehörige von Trauerfamilien sind überfordert, wie sie mit Trauernden umgehen sollten. Sie wissen es nicht besser und verteilen gerne pragmatische Ratschläge.

Es prasseln so viele Erwartungshaltungen, Meinungen und schwierige Situationen auf trauernde Familien ein. Das kann mitunter zusätzlich belastend sein.

Bei uns beispielsweise war ich froh, ich hatte liebe Menschen um mich herum. Sie halfen die Kinder ins Bett zu bringen oder mal abends, wenn die Leere am schlimmsten war, ein Glas Wein tranken.

Doch nicht alle in der Familie wollten andere Menschen im Haus. Ein paar Menschen ziehen sich in Trauer einfach in ihr Schneckenloch zurück.

Um uns nicht zu verlieren, widmeten wir dem Papa einen Platz im Wohnzimmer. Dort sind Kerzen und ein Foto, wie auch eine Erinnerungsbox mit seinen liebsten Dingen.

Kreuzkette in Hand.
Jeder trauert anders. - zVg

Nach und nach malen die Kinder Zeichnungen oder schreiben ihm Briefe, die sie hineinlegen.

Trauer ein Tabu – viele sind völlig überfordert

Meist ist der Tod unerwartet, man kann sich nicht darauf vorbereiten. Viele Hinterbliebenen waren noch nie eng betroffen vom Tod eines Menschen.

In anderen Kulturen werden viele Rituale im Zusammenhang mit dem Tod oder die Verarbeitung des Todes gemacht. Bei uns in der Schweiz gibt es kaum solche Bräuche.

Manch einer erinnert sich noch an früher, wo es üblich war, im Haus der Trauerfamilie einen Besuch abzustatten. Doch nur noch wenige tun das.

Im Gegenteil, Menschen sind teilweise schlicht überfordert, mit Trauernden zu sprechen. Es kann vorkommen, dass ein Bekannter die Strassenseite wechselt, wenn er jemanden der Trauerfamilie sieht.

Auch nicht selten fangen Menschen an zu weinen, wenn sie einen sehen. Und dies nicht immer aus Mitgefühl, sondern aus eigener Angst, ihre Lieben zu verlieren. Es ist und bleibt schwierig.

Viele Menschen möchten eigentlich helfen. Doch sie wissen nicht wie. Sie bieten einem ihre Hilfe an oder sagen, dass Weinen nicht guttäte. Das hilft einem geschwächten Trauernden und seiner Familie nicht viel.

Offenheit bringt am meisten

Kinder spüren schlechte Stimmungen und nehmen auch unausgesprochenes wahr. Sie fühlen, handeln und deuten anders als Erwachsene. Instinktiv merken sie, wenn etwas nicht stimmt.

Deswegen tut es gut, wenn man seinen Kindern die eigene Trauer oder die Gespräche mit anderen über den Tod nicht verheimlicht.

Ich habe die Erfahrung gemacht, je mehr wir darüber unter uns oder mit anderen darüber redeten, desto normaler wurde die Situation.

Es gab wie eine Akzeptanz, dass er weg ist und nicht mehr zurückkommt.

Kinder möchten dann oft mit ihrer Fantasie die Situation erträglicher machen und erzählen, wie es dem Papa im Himmel zum Beispiel lustig hat. Oder dass er der Einzige ist, der nicht an Corona erkranken könne.

Kerzen brennen.
Offenheit bringt am meisten beim Trauern. - unsplash

Auch seinem Umfeld macht man es leichter, wenn man signalisiert, dass es gut ist, wenn man mit ihnen über die Trauer sprechen kann.

Somit hilft man seinem Gegenüber auch, tröstende Worte zu finden. Es können schöne Gespräche über das Traurig sein oder Erinnerungen geführt werden.

Jedes Gespräch ist ein Stein auf der Mauer, die ein neues Fundament fürs Weiterleben bedeutet.

Was hilft trauernden Familien?

Bestimmt können nicht alle Trauernden von Anfang an so stark sein und aktiv um Hilfe fragen. Deswegen empfehlen Trauerexperten Angehörigen, sich aktiv einzusetzen.

Helfen kannst du einer trauernden Familie am besten durch folgende Hilfen im Alltag:

- Frage nach dem Bankkonto und schicke einen bestimmten Betrag

- Überreiche Gutscheine für Essen oder Delivery

- Koche ein paar Mahlzeiten und bringe sie vorbei für den Tiefkühler

- Biete an, bei den Mahlzeiten zu helfen, Kinder zu versorgen und die Küche zu machen

- Mache direkt konkrete Termine ab; nicht meinen, die Trauernde melde sich dann selbstständig

- Gehe vorbei und mache die Wäsche, falte die Kleider oder bügle Wäsche

- Organisiere den Einkauf für die ganze Familie; Fahr- oder Schleppdienst oder einfach Gesellschaft können erleichternd wirken

- Tue etwas Schönes mit den Kindern. Übernehme die Kinder für einen Spielplatzbesuch oder übers Wochenende. Kinder können nämlich nicht immer trauern, sie brauchen auch Ausgleich

- Frage, ob die Kinder ev. Hilfe bei den Aufgaben brauchen

- Biete dich sich an für administrative Tätigkeiten

Die Liste ist nicht vollständig. Deutlich wird aber, dass die Hilfe aktiv angeboten und vereinbart werden muss. Während dem Funktionieren und dem eigenen Trauern fällt es Trauernden nämlich sehr schwer, aktiv um Hilfe zu fragen.

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Beitrag verfasst von der Bloggerin «MOMof4».

Die Autorin.
Bloggerin «MOMof4». - zVg

Als 4-fach Mama und Working Mom erlebe ich täglich den Spagat zwischen Familie und Beruf. Daneben hinaus kämpfen wir uns nach einem Schicksalsschlag zurück ins Leben. Auf meinem Blog MOMof4 teile ich meine Freude fürs Mamasein und inspiriere durch Geschichten & Tipps der Grossfamilie.

Nau Familie

Im Rahmen der Serie Nau Familie teilen Blogger und Bloggerinnen ihre Erfahrungen, Tipps und Tricks als Eltern. Die Schreibenden sind Teil des Netzwerks Schweizer Familienblogs.

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