Vernetzt: Dein Auto als rollende Datenplattform
Weit über herkömmliche technische Parameter hinaus: Autos sind fahrende Datengeneratoren geworden. Wir blicken genauer auf das Thema.

Die Basis jeder Datenerfassung in einem modernen Fahrzeug bilden Sensoren. Ein heutiges Fahrzeug kann problemlos 50 bis 60 Sensoren oder mehr aufweisen, während Luxuslimousinen sogar über 100 verbaute Sensoren haben können.
Diese dienen als die Augen und Ohren des Fahrzeugs, indem sie physikalische Zustände und Grössen in verwertbare digitale Informationen umwandeln. Die gesammelten Daten sind nicht nur für die Kernfunktionen des Autos, sondern auch für eine Fülle von Assistenzsystemen und Komfort-Extras entscheidend.
Sensoren im Fahrzeug
Die Sensoren lassen sich grob in folgende Kategorien unterteilen, die jeweils spezifische Daten erfassen:
Positionssensoren: Messen die genaue Position von Bauteilen, entweder auf einer geraden Linie (z. B. Füllstand im Tank) oder in einer Drehbewegung (z. B. Lenk- oder Kurbelwellenwinkel). Radarsensoren zur Abstandsmessung gehören ebenfalls dazu.
Drehzahlsensoren: Erfassen die Rotationsgeschwindigkeit, zum Beispiel von Kurbel- und Nockenwelle für die Motorsteuerung oder von Rädern für das ABS. Sie arbeiten oft mit rotierenden Scheiben und Elektromagneten.

Drucksensoren: Überwachen den Druck von Flüssigkeiten und Gasen, beispielsweise in Brems- oder Benzinleitungen, im Reifendruckkontrollsystem oder in der Klimaanlage.
Temperatursensoren: Messen die Wärme an wichtigen Stellen wie dem Kühlsystem, der Ölwanne oder im Ansaugtrakt, um Motor und Klimaanlage zu steuern.
Beschleunigungs- und Kraftsensoren: Wichtig für die Sicherheit. Beschleunigungssensoren lösen Airbags und Gurtstraffer aus, während Kraftsensoren Kräfte an Bauteilen wie Pedalen messen.
Erfassung über das technische Notwendige hinaus
Über die rein technischen Daten hinaus sammelt ein modernes Fahrzeug eine Fülle von Informationen, die direkte Rückschlüsse auf den Nutzer und sein Fahrverhalten zulassen. Ein detailliertes Profil des Fahrverhaltens wird durch die kontinuierliche Erfassung von Metriken wie Bremsintensität, Beschleunigung und Kurvenverhalten erstellt.

Diese Messgrössen werden von Telematiksystemen aufgezeichnet und in Algorithmen zur Fahrstilbewertung eingespeist. Darüber hinaus werden auch situative Daten erfasst, die Auskunft über die Fahrumgebung geben.
Dazu gehören Positionsdaten, gefahrene Strecken, der Strassentyp und die Tageszeit.
Studie zeigt Umfang der Sammelwut
Eine Studie der Mozilla Foundation hat aufgedeckt, dass viele Automobilhersteller Daten sammeln, die weit über das technisch Notwendige hinausgehen.
Dies umfasst intime, biometrische und medizinische Daten wie Körpergewicht, Gesundheitsdaten, und gemäss einiger Datenschutzerklärungen sogar hochsensible Informationen wie religiöse Ansichten, die sexuelle Aktivität oder den Einwanderungsstatus.
Die Datenerfassung erfolgt über die Sensoren, die Infotainment-Systeme und die Apps, die mit dem Fahrzeug verbunden sind.
Ziel: Profilbild des Fahrers
Die Konvergenz dieser scheinbar unabhängigen Datenströme ist von entscheidender Bedeutung. Während ein traditionelles Fahrzeug primär technische Daten erfasst, hat die Integration von Telematiksystemen und Smartphone-Konnektivität diese technischen Messwerte mit Positions- und Fahrverhaltensmetriken verknüpft.
Hersteller nutzen zudem die Fahrzeug-Identifizierungsnummer (FIN), um diese dynamischen Fahrzeugdaten mit den persönlichen Stammdaten des Kunden aus dem Kaufvertrag zu verknüpfen.
Diese Verknüpfung von technischen, verhaltensbezogenen und persönlichen Daten führt zur Erstellung eines umfassenden Profils. Dieses lässt detaillierte Rückschlüsse auf den Lebensstil, die Gewohnheiten und sogar sensible persönliche Umstände des Fahrers zu. Die technische Datenerfassung dient damit nicht nur der Fahrzeugfunktion, sondern direkt der umfassenden Profilbildung des Nutzers.
Schnittstellen: Wie Daten das Fahrzeug verlassen
Es gibt drei zentrale Wege, auf denen Daten aus einem Fahrzeug übertragen werden, die jeweils unterschiedliche Anwendungsfälle und Implikationen haben:
On-Board-Diagnose (OBD-II): Der OBD-II-Anschluss ist die standardisierte physikalische Schnittstelle, die in allen Fahrzeugen ab Baujahr 2001 (in Europa) zu finden ist. Diese Schnittstelle ermöglicht es Werkstätten und Diagnosegeräten, den Fehlerspeicher auszulesen und technische Parameter abzufragen.
Telematiksysteme und Dongles: Telematiksysteme sind in der Regel fest verbaute Bordcomputer mit GPS-Modul und SIM-Karte, die Fahrzeugdaten kontinuierlich über das Mobilfunknetz übertragen. Als Alternative dazu gibt es Aftermarket-Lösungen wie OBD-Dongles, die einfach in den OBD-II-Anschluss eingesteckt werden. Diese Dongles sammeln ebenfalls Daten über GPS und senden sie in Echtzeit an externe Plattformen.
Die Cloud als zentraler Knotenpunkt: Die gesammelten Daten werden an Cloud-Plattformen übermittelt, wo sie verarbeitet und analysiert werden. Unternehmen wie Google Cloud oder Adacor bieten hierfür skalierbare Backends an, die die Verarbeitung von IoT-Sensordaten, die Durchführung von Over-the-Air-Updates und die Entwicklung von maschinellen Lernalgorithmen ermöglichen.