Leisure sickness: Sabotiert dein Körper deine Auszeit?
Ausgerechnet im Urlaub krank werden – das kennen fast alle Arbeitnehmer. Warum unser Körper uns sabotiert und wie du die Freizeitkrankheit vermeidest.

Drei Tage vor dem lang ersehnten Urlaub spürst du es schon: Das Kratzen im Hals, die schweren Glieder, die Müdigkeit, die sich wie Blei in deinen Knochen festsetzt.
Pünktlich zum ersten freien Tag bist du dann richtig krank. Als hätte dein Körper nur darauf gewartet, dich zu sabotieren, wenn du endlich entspannen willst.
Das rätselhafte Timing unseres Immunsystems: Die Leisure Sickness schlägt zu
Was wie ein besonders perfides Spiel des Schicksals aussieht, hat tatsächlich einen Namen: Leisure Sickness oder Freizeitkrankheit. Der niederländische Psychologe Ad Vingerhoets prägte diesen Begriff bereits 2002, nachdem er bemerkt hatte, dass viele seiner Patienten regelmässig genau dann krank wurden, wenn sie frei hatten.
Seine Forschungsarebeit zeigte damals, dass etwa drei bis vier Prozent der Menschen von diesem Phänomen betroffen waren. Heute sind es deutlich mehr.

Die Symptome sind dabei so vielfältig wie frustrierend: Kopfschmerzen, Erschöpfung, Erkältungsanzeichen, Magen-Darm-Beschwerden oder einfach ein allgemeines Unwohlsein. Besonders perfide ist, dass sich Betroffene während der Arbeitszeit meist kerngesund fühlen, nur um dann am Wochenende oder im Urlaub regelrecht zusammenzuklappen.
Wenn Stresshormone Achterbahn fahren – und das ausgerechnet im Urlaub
Die Wissenschaft hat mittlerweile eine ziemlich gute Erklärung für dieses bizarre Phänomen gefunden. Dein Körper ist nämlich ein echter Überlebenskünstler, der in stressigen Zeiten alle Register zieht, um dich funktionsfähig zu halten.
Stresshormone wie Adrenalin und Cortisol fluten dann dein System und halten dein Immunsystem auf Hochtouren. Du wirst quasi künstlich fit gehalten. Sobald der Stress aber nachlässt, fällt auch diese hormonelle Unterstützung weg.
Dein Immunsystem entspannt sich ebenfalls, und plötzlich haben all die Viren und Bakterien, die schon lauern, freie Bahn. Es ist wie bei einem Bodyguard, der nach getaner Arbeit Feierabend macht – und genau dann schlagen die Eindringlinge zu.
Allzeit bereit? Die Tücken des modernen Arbeitslebens
Besonders tückisch ist dabei unser modernes Verständnis von Erreichbarkeit. Während frühere Generationen nach Feierabend wirklich frei hatten, sind wir heute rund um die Uhr verfügbar.

Fast die Hälfte aller Arbeitnehmer kann nicht widerstehen, auch in der Freizeit berufliche Nachrichten zu checken. Diese ständige mentale Verbindung zur Arbeit verhindert echte Erholung und hält den Stresslevel konstant hoch.
Dazu kommt der Druck, vor dem Urlaub noch schnell alles abzuarbeiten. Überstunden häufen sich – 80 Prozent aller Arbeitnehmer leisten Mehrarbeit, fast 38 Prozent sogar drei Stunden oder mehr pro Woche .
Perfektionismus als Krankmacher: Workaholics sind öfter betroffen
Menschen, die besonders anfällig für Leisure Sickness sind, haben oft eines gemeinsam: Sie können schlecht abschalten. Es sind häufig die Perfektionisten, die Workaholics, die sich selbst unter enormen Leistungsdruck setzen.
Diese Personen haben oft Schwierigkeiten dabei, vom Arbeitsmodus in den Entspannungsmodus zu wechseln. Ihr Gehirn läuft auch in der Freizeit auf Hochtouren, grübelt über unerledigte Aufgaben oder plant schon die nächste Arbeitswoche.
Die versteckten Warnsignale erkennen
Viele Menschen bemerken die ersten Anzeichen einer drohenden Freizeitkrankheit gar nicht, weil sie während der Arbeitszeit zu abgelenkt sind. Der Körper sendet durchaus Warnsignale – ein leichtes Kratzen im Hals, erhöhte Müdigkeit, Konzentrationsschwierigkeiten –, aber diese werden im Arbeitsalltag oft übersehen oder ignoriert.

Erst wenn die Ablenkung wegfällt und du zur Ruhe kommst, werden diese Signale deutlich spürbar. Was vorher nur ein leises Hintergrundrauschen war, wird plötzlich zum dominierenden Thema.
Ein weiterer Faktor ist die Art, wie wir mit unserem Körper umgehen, wenn wir unter Stress stehen. Viele Menschen vernachlässigen dann ihre Grundbedürfnisse: Sie trinken zu wenig, essen unregelmässig, bewegen sich kaum noch und schlafen schlecht.
Strategien gegen die Urlaubsfalle: Schalte richtig ab
Du bist diesem Phänomen nicht hilflos ausgeliefert. Der Schlüssel liegt darin, den Übergang von der Arbeit zur Freizeit sanfter zu gestalten, statt von hundert auf null zu bremsen.
Schon kleine tägliche Entspannungsrituale können helfen: ein paar Minuten bewusstes Atmen, ein kurzer Spaziergang oder einfach das bewusste Abschalten des Arbeitshandys.
Auch der Urlaubsstart sollte nicht zu radikal sein. Statt sofort komplett auszuflippen, hilft es, einige Routinen beizubehalten – ähnliche Schlafzeiten, regelmässige Mahlzeiten, etwas Bewegung.







