Aus Flamen und Walloniern werden Belgier. Zumindest bei der WM 2018. Das ist auch der Verdienst des spanischen Trainers Roberto Martínez (44).
belgische fußballnationalmannschaft
Der Spanier Roberto Martìnez ist belgischer Nationaltrainer. - dpa
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Das Wichtigste in Kürze

  • Der spanische Trainer Roberto Martínez hat aus den belgischen Stars ein Team geformt.
  • Während der WM vergessen die Belgier ihren «Röstigraben».

Auch Belgien hat einen Röstigraben. Er verläuft entlang der Sprachgrenze zwischen Flämisch-Niederländisch und Französisch. In den beiden Regionen Flandern und Wallonien gibt es starke Unabhängigkeitsbewegungen, sowohl politische als auch gesellschaftliche. Ausgerechnet der Spanier Roberto Martínez hat ihn zugeschüttet – zumindest im Fussball, zumindest während der WM. Mit dem grossen Ziel vor Augen vergessen die Belgier für einen Moment, dass sie eigentlich ein gespaltenes Land sind.

Martìnez – der spanische Engländer

Nationaltrainer Roberto Martínez hat die roten Teufel (Spitzname der belgischen Nationalmannschaft) vereint. Flamen, Wallonier und Secondos mit unterschiedlichsten Wurzeln. Martínez ist dabei selbst ein «Prototyp» des modernen, internationalen Menschen. Der Spanier wechselte schon als Spieler nach England, wo er später auch als Trainer mit Wigan und Everton erfolgreich arbeitete, seine schottische Ehefrau kennenlernte und Vater wurde. Die Tochter hat übrigens den englischen Pass. Als Trainer der belgischen Nationalmannschaft spricht er weder flämisch noch französisch noch spanisch – im Training und bei den Teamsitzungen wird englisch gesprochen.

Ein Bild mit Symbolcharakter – Lukaku (mitte) schwört die Belgier vor dem Spiel gegen Brasilien ein.
Ein Bild mit Symbolcharakter – Lukaku (mitte) schwört die Belgier vor dem Spiel gegen Brasilien ein. - dpa

«Moules et Frites» – und Bier

Die Belgier sind sehr gastfreundlich und nehmen es nicht immer so genau. Die Holländer sagen zum Beispiel: «Hinter Maastricht ist der Süden». Gemeint ist, dass die lockere mediterrane Stimmung bereits an der Grenze zu Belgien beginnt. Bei Moules, Frites und Bier sitzt man in Belgien gerne zusammen, stets ein weltoffenes Lächeln hier, ein freundliches Wort da. Die belgische Multi-Kulti-Gesellschaft scheint ein Erfolgsmodell zu sein – bis die Terroranschläge die Stimmung etwas trübten. Nationalistische Stimmen werden auch in Belgien immer lauter.

Fussballverrücktes Land

Dass die Flamen und Wallonier in diesen Wochen über den Fussball zueinander finden, ist nicht verwunderlich. Belgien ist ein fussballverrücktes Land. Ähnlich gross wie die Schweiz hat die Liga eine viel grössere Bedeutung als hierzulande. Nur der Radsport wird medial ähnlich prominent gespielt wie Fussball. Einzelne Kracher in der Liga sind jeweils bereits ausverkauft, bevor das genau Datum bekannt ist, so zum Beispiel das ewige Duell zwischen Anderlecht und Standard Lüttich.

Jetzt will man auch mit der Nati feiern, die Belgier wollen mit ihrem Team den ganz grossen Coup landen und den WM-Titel holen. Mit diesem Team ist alles möglich. Die letzte goldene Generation hatte Belgien in den 80er-Jahren, bei der WM 1986 schaffte man es ebenfalls in die Halbfinals. Das ist mehr als 30 Jahre her – zu lange.

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