Weniger Pflanzenschutzmittel, artgerechtere Tierhaltung, Biodiversität schützen und nebenbei den Hunger stillen: die Schweizer Landwirtschaft hat viel vor.
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Innovativ: Mit Nahinfrarot-Sensoren bestimmt dieser Traktor auf der Swiss Future Farm in Ettenhausen (TG) die Nährstoffe in der Gülle und passt die Ausbringmenge an. Das spart nährstoffreiche Gülle und verhindert umweltrelevante Nährstoffüberschüsse. - Keystone
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Das Wichtigste in Kürze

  • Nachhaltiger Pflanzenschutz und tiergerechte Produktion dank Robotern und Drohnen
  • Selbstversorgung aufrechterhalten und Biodiversität stärken: Wie soll das gehen?
  • Traktor, Heukran und Solarzellen: grosse Ausstellung im Verkehrshaus der Schweiz in Luzern

Alles ändert sich. Das gilt auch für die Schweizer Landwirtschaft. Reichte es bis zur Mitte des letzten Jahrhunderts aus, genügend Lebensmittel zu produzieren, sehen die Ansprüche heute ganz anders aus.

Tierfreundliche Haltung ist gefragt, Gemüse- und Früchteanbau möglichst ohne Pflanzenschutzmittel, und das Ganze zu konkurrenzfähigen Preisen.

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Der neue «Bauernhof» mitten im Verkehrshaus ist der ideale Ort für eine Begegnung mit der Schweizer Landwirtschaft. - Verkehrshaus der Schweiz

Doch wie macht man das? Welche Hilfe können technologischer Fortschritt und die Digitalisierung dabei bieten? Und was kann man in der neuen Ausstellung im Verkehrshaus in Luzern zu diesem Thema lernen?

Pflanzenschutz 2.0 – nachhaltig und ganz schön schlau

Heute setzt man in der Schweiz im Pflanzenschutz vermehrt auf präventive Massnahmen. Das fängt schon bei der Wahl von Sorten an, die resistent sind gegen Krankheiten und Schädlinge.

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Feldarbeiter in Kerzers im Berner Seeland, einer der bedeutendsten Gemüsebauregion der Schweiz. Früher überschwemmte die Aare das Gebiet regelmässig, deswegen gibt es hier besonders humusreiche und fruchtbare, tiefschwarze Erde. - Keystone

Auch Schädlings-Frühwarnsysteme und Wetterprognosen helfen dabei, zum richtigen Zeitpunkt die richtige Massnahme zum Pflanzenschutz vorzunehmen. Eine besonders spektakuläre Massnahme sind hier Helfer wie die Drohne «Optidrone».

Treibt zum Beispiel der Maiszünsler sein Unwesen, können Landwirte mit der Drohne Kugeln mit Schlupfwespen-Eiern auf die Felder bringen. Worauf die natürlichen Feinde des Maiszünslers die Schädlingsbekämpfung übernehmen – ganz ohne schädliche Chemie.

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Solarbetrieben und mit GPS-Unterstützung manövriert der Schweizer Pflanzenschutz-Roboter «Ecorobotix» selbständig über das Feld, erkennt dank Kameras und künstlicher Intelligenz Unkraut und besprüht es punktgenau mit einer Mikrodosis Herbizid. Das spart bis zu 95 % Pflanzenschutzmittel. Ganz oben im Bild zu sehen: die Drone «Optidrone». Beide gibt es in der neuen Landwirtschafts-Ausstellung Verkehrshaus in Luzern zu bewundern. - Fenaco

Roboter und Digitalisierung nicht nur in der Pflanzenwirtschaft

Während der «Ecorobotix Avo» und «Optidrone» die Umwelt schonen, stehen andere Maschinen noch unmittelbarer im Dienst von Tier und Mensch.

So verschaffen Melkroboter Kühen und Landwirten eine Erleichterung. Die Tiere können die Maschine selbständig benutzen und müssen nicht auf den Bauern warten, bis sie endlich gemolken werden. Und die Bauern sparen Arbeit und sind zeitlich flexibler.

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Der Melkroboter erkennt auch, wenn es eine Kuh übertreibt, und versagt dann den Dienst. Bei aller Freude an der Innovation darf man aber nicht vergessen, dass jede zusätzliche Maschine eine finanzielle Belastung ist. Deswegen prognostizieren Experten, dass sich in Zukunft immer mehr kleinere Betriebe zusammenschliessen werden, um so die Produktionskosten zu senken; denn jedes Jahr schliessen mehrere Hundert Landwirtschaftsbetriebe ihre Türen für immer (1996 waren es noch knapp 80’000, 2022 noch 48’344). - Keystone

Digitale Technologien können schliesslich auch im Direktverkauf eingesetzt werden, indem die Landwirte ihre regionalen Produkte online anbieten. Das stärkt genauso wie Hofläden die Beziehung zwischen Produzenten und Konsumenten und spart den Umweg über den Einzelhandel.

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Im Trend: Zwischen 2010 und 2020 stieg der Anteil der Betriebe, die Direktverkauf betreiben von 12 % auf 26 %. Dieser reicht vom Hofladen wie hier in Lausanne über Wochenmärkte bis zu Versand- und Onlinehandel mit Hauslieferdienst und Postversand und macht immerhin 5–10 % des Gesamtertrags der Schweizer Landwirtschaft aus. - Keystone

Selbstversorgung bei wachsender Bevölkerung und gleichbleibender Fläche – wie soll das gehen?

Die Schweizer Landwirtschaft trägt einen wichtigen Teil dazu bei, die Bevölkerung mit Nahrungsmitteln zu versorgen. Insgesamt sind gut 50 % der Lebensmittel, die wir konsumieren, in der Schweiz produziert.

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Apfelernte im Thurgauischen Fruthwilen. Während bei Kern- und Steinobst wie Äpfeln und Kirschen der Selbstversorgungsgrad bei gut drei Vierteln liegt, liegt er für Früchte insgesamt nur bei gut einem Viertel. Bei Gemüse sind es knapp 50 %, bei Fleisch mehr als 80 %, bei Fisch hingegen liegt er im einstelligen Prozentbereich. - keystone

Doch wie hält man diese Zahlen stabil, wenn in Zukunft 10 Millionen Menschen und mehr in unserem Land wohnen? Hier sind innovative Lösungen gefragt wie das «Vertical Farming», bei dem die knappe Anbaufläche in die Höhe erweitert wird.

Weniger technischer als politischer Natur ist die Entscheidung, was überhaupt angebaut wird. Heute werden nämlich gut 60 % der Anbaufläche für die Futtermittelproduktion genutzt. Würde man hier Kulturen zur direkten menschlichen Ernährung anpflanzen, könnte das die Selbstversorgung in Zukunft stärken.

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Basilikum-Pflanzen in der Produktionsanlage des ETH-Spin-offs «Yasai». Der Pflanzenbau im vertikalen Innenraum funktioniert mit LED-Lampen, benötigt kein Pflanzenschutzmittel und kommt mit weniger Wasser aus als der konventionelle Anbau. Ob der vertikal angebaute Basilikum aber schliesslich ein Erfolg wird, entscheiden die Konsumentinnen und Konsumenten. - keystone

Andere Kulturen, andere Sitten

Stellt man aber die Produktion um, braucht es gleichzeitig auch eine Ernährungsumstellung der Bevölkerung: weniger Fleisch, dafür mehr Milch, Früchte, Nüsse, Hülsenfrüchte und Gemüse ständen dann auf dem Speiseplan.

Und tatsächlich gehört eine solche Ernährungsumstellung zur Vision 2050 «Ernährungssicherheit durch Nachhaltigkeit von der Produktion bis zum Konsum» des Bundesrats. Ob diese Realität wird, entscheiden aber wie beim Vertical Farming nicht zuletzt die Konsumentinnen und Konsumenten.

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Nein, der Bundesrat will uns nicht zu Veganern machen. Denn auch wenn es wahr ist, dass die tierische Produktion in der Regel die Natur stärker belastet als die pflanzliche, können über die Hälfte der landwirtschaftlichen Nutzfläche der Schweiz sowie die Weiden und Alpen gar nicht zur direkten menschlichen Ernährung genutzt werden. Deswegen braucht es Tiere, welche die hier wachsenden Pflanzen zu Milch und Fleisch veredeln. Im Bild: der «Schafübergang» unter dem Gipfel des Falknis (2562 Meter) im Bündnerischen Fläsch. - Keystone

Von Bienen und Blumen – ohne Biodiversität geht gar nichts

Eine Realität der Landwirtschaft sind Schadstoffe und Überdüngung, die der Biodiversität schaden. Deswegen sind die Direktzahlungen vom Bund heute daran gebunden, dass Landwirte Biodiversitätsflächen zur Verfügung stellen.

So werden heute knapp 20 % der landwirtschaftlichen Nutzfläche der Schweiz als Biodiversitätsförderflächen genutzt. Doch noch immer gelangen über Dünger zu viele Nährstoffe in empfindliche Ökosysteme und die Schweizer Biodiversität nimmt stetig ab.

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Touchscreen-Spiele und Schaukästen geben in der neuen Ausstellung im Verkehrshaus Einblick in die Tier- und Pflanzenwelt der Schweiz. - Fenaco

Biodiversität ist ein Schlüsselfaktor, wenn es darum geht, unsere Nutzflächen in den nächsten Jahrzehnten produktiv zu halten. Vom Bestäuben der Kulturpflanzen bis zur Schädlingsregulation ist nämlich alles abhängig von einer vielfältigen Tier- und Pflanzenwelt. Nicht zuletzt deswegen sind in der Landwirtschaft der Zukunft innovative Ideen so gefragt.

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Hochstammobstbäume und Brachen sind Förder- und Ausgleichsflächen für die Biodiversität und richtige Oasen für den Distelfinken. Mehr über das schöne Tier erfahrt ihr dank der Expertise der Schweizerischen Vogelwarte in der neuen Landwirtschafts-Ausstellung im Verkehrshaus in Luzern. - Pixabay

Ein Bauernhof mitten im Verkehrshaus

Einen lebhaften Eindruck der heutigen Schweizer Landwirtschaft gibt die neue Ausstellung «Von Heugabeln und Drohnen» im Verkehrshaus in Luzern. Exponate wie die «Optidrone»-Drohne und ein Claas-Traktor stehen neben informativen Illustrationen und spielerischen Elementen wie dem Heulager mit originalem Sumag-Kran.

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Die 78 Photovoltaik-Module auf dem Dach erinnern an die Rolle, welche Schweizer Bäuerinnen und Bauern in der Energiewende spielen werden. Dazu passt auch gleich die Verkehrshaus-Ausstellung «Experience Energy!» im neu auf dem Verkehrshaus-Gelände erbauten House of Energy. - Verkehrshaus der Schweiz

Wie werden aus Kartoffeln Pommes frites? Warum gibt es in der Schweiz immer noch Hochstammbäume, wenn die Ernte mit Niederstammbäumen doch viel einfacher wäre? Und welches Gemüse wächst auf welchem Boden am besten?

Diese und noch viel mehr Fragen werden in der neuen Landwirtschafts-Ausstellung beantwortet. Dazu bekommt ihr Einblick in die vielen Berufsbilder rund um die Landwirtschaft vom Tiermediziner über die Lebensmitteltechnologin bis zum Logistiker.

Lust auf mehr bekommen? Dann klickt am besten hier.

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Neu im Verkehrshaus: die mehrjährige Ausstellung «Von Heugabeln und Drohnen» - Verkehrshaus der Schweiz
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