Delivery Hero löst Skandalkonzern Wirecard im Dax ab
Der Bilanzskandal bei Wirecard lässt den insolventen Finanzdienstleister aus dem Deutschen Aktienindex (Dax) fliegen - und ein anderes Unternehmen früher als erwartet aufsteigen.

Das Wichtigste in Kürze
- Aktie des Essenslieferdienstes wird ab Montag gehandelt.
Der Essenslieferdienst Delivery Hero wird ab Montag im Leitindex der 30 grössten Börsenunternehmen Deutschlands gehandelt. Grundlage sind neue Börsenregeln für den Ausschluss insolventer Konzerne, die sich auf alle grossen Indizes auswirken.
Die Deutsche Börse hatte vor einer Woche nach einer Marktumfrage angekündigt, Dax-Konzerne bei einer Insolvenz künftig umgehend aus ihrem Leitindex zu werfen. Demnach werden die betroffenen Unternehmen für ein Jahr aus dem Dax ebenso ausgeschlossen wie aus dem M-Dax, dem S-Dax und dem Tec-Dax.
Auch die Zusammensetzung dieser Indizes ändert sich durch den Wirecard-Ausschluss: Der Anlagenbauer Aixtron steigt für Delivery Hero in den M-Dax der mittelgrossen Unternehmen auf. Seinen Platz im S-Dax der nachfolgenden, kleineren Unternehmen wiederum übernimmt der Baumarkt Hornbach. Im Tec-Dax für Technologiewerte ist ab Montag das Technikunternehmen LPKF Laser & Electronics anstelle von Wirecard gelistet.
Mit Delivery Hero steigt nun ein Berliner Internetkonzern in den Leitindex auf, der erst 2017 an die Börse ging und dabei mit einem Schlag knapp eine Milliarde Euro einnahm. Der Online-Lieferdienst aus der Startup-Schmiede Rocket Internet wurde 2011 gegründet und ist nach eigenen Angaben weltweit in über 40 Ländern mit rund 25.000 Mitarbeitern aktiv.
Mit seinem Plattformmodell, bei dem Kunden an Restaurants und Lieferdienste vermittelt werden, wurde das Berliner Jungunternehmen schnell zu einem der bedeutendsten Tech-Konzerne Europas und wächst nach wie vor rasant - allerdings seit anderthalb Jahren nicht mehr in Deutschland. Delivery Hero verkaufte das Deutschlandgeschäft inklusive der erfolgreichsten Marke Lieferando zwecks Expansion in anderen Erdteilen für rund eine Milliarde Euro an den niederländischen Konkurrenten Takeaway.
Dieser ist laut «Manager Magazin» die einzige profitable Lieferdienstgruppe. Delivery Hero dagegen verbuchte im Jahr 2018 einen operativen Verlust von 242 Millionen Euro, 2019 waren es sogar 648 Millionen Euro. Die Berliner werden an der Börse dennoch mit rund 20 Milliarden Euro bewertet, die Aktie legte seit Jahresbeginn um rund 40 Prozent zu. Takeaway-Chef Jitse Groen warnte im Gespräch mit dem Magazin vor überhöhten Investitionen und «einer Blase» in der Branche, die so womöglich auf eine «Katastrophe» zusteuere.
Wirecard hatte Ende Juni Insolvenz angemeldet. Zuvor hatte das Unternehmen einräumen müssen, dass in der Bilanz aufgeführte Gelder von 1,9 Milliarden Euro, die vermeintlich auf asiatischen Bankkonten lagern sollten, nicht auffindbar seien. Die Staatsanwaltschaft München I ermittelt in dem Fall. Sie geht von gewerbsmässigem Bandenbetrug aus.
Der flüchtige Ex-Manager und mutmassliche Strippenzieher im Wirecard-Skandal, Jan Marsalek, soll nach Informationen des «Manager Magazins» unter anderem Abschlussprüfer von EY mit Schauspielern in nachgebauten Bankfilialen getäuscht haben. Das zumindest vermute die deutsche Unternehmensführung der Beratergesellschaft. Der Fall setzt auch die bei Wirecard involvierten Berater unter Druck: EY-intern habe es «heftige Turbulenzen» gegeben, berichtete das Magazin.