«Überdimensionale Kinderwagen sind die neuen SUVs!»
«Hauptsache gross, umweltschädlich und andere wegdrängend.» Unsere Kolumnistin Verena Brunschweiger nervt sich über Kinderwagen im Alltag.

Das Wichtigste in Kürze
- Um die Rücksichtsnahme von Eltern sei es grundsätzlich schlecht bestellt.
- Gleichzeitig beschwere man sich natürlich lauthals über Autofahrer.
- Eine Kolumne von Verena E. Brunschweiger.
Sei es in Zürich oder im Ausland: Wenn man in Fussgängerzonen unterwegs ist, kann man sich des Eindrucks nicht erwehren, Eltern hätten eine besondere Schwäche für Bereiche, wo der überdimensionale Kinderwagen höchstens gerade mal so durchpasst.
Dieser wird dann beispielsweise durch enge Gänge im Café geschoben. Wobei an Tisch- und Stuhlbeinen gerempelt wird sowie Jacken und Taschen, die andere Gäste auf Stuhllehnen deponierten, auf den Boden gefegt werden.
Muss man erwähnen, dass die weder aufgehoben werden noch eine Entschuldigung zu hören ist, dass sie nicht mehr da sind, wo man sie hinhängte.
Klar, wie immer: not all parents, aber über die Hälfte locker!
Auch in ihren Gesichtern liest man schon eine ziemliche Pampigkeit. Offenbar kommt es nicht so gut an, wenn man vor Leuten, die einfach nicht verhüteten, nicht sofort auf die Knie fällt. Und den roten Teppich ausrollt.
Kinderwägen wie Panzer
Zudem muss man schon konstatieren, dass die Panzerartigkeit von Kinderwägen in den letzten Jahren überdurchschnittlich zunahm. Angesichts von Kriegszeiten ist das schon besonders pervers.

Und irgendwie das Analogon zu den ebenfalls bei Familien so beliebten SUVs. Hauptsache, gross, umweltschädlich und andere wegdrängend. Das sind scheinbar die drei Hauptkriterien. Dass sie ästhetisch wenig ansprechend sind, kommt noch dazu. Kinderwägen sind aktuell breit, bullig, dunkelgrau, oder?
Wenig Rücksichtnahme von Eltern
Auch wenn sie Velos benutzen, ist es um die Rücksichtnahme von Eltern schlecht bestellt. Da werden unschuldige Passanten halb umgemäht – oder aggressiv aus dem Weg geklingelt.
Oder man fährt mit dem riesigen Lastenrad einfach so nah an Fussgänger heran, dass diese einen halben Herzinfarkt bekommen.
Gleichzeitig beschwert man sich natürlich lauthals über Autofahrer, die angeblich so wenig aufpassen. Wie wäre es, mal selbst mit dem Aufpassen anzufangen?
Achtung, lustiger Velo-Wimpel!
Dazu würde auch gehören, nicht zusätzlich lange, sinnlose Masten hinten am Fahrrad anzubringen. Mit ach so lustigen Wimpeln in Rot oder Orange, die vom Wind bewegt und Spaziergängern schlimmstenfalls ins Gesicht geklatscht werden.

Dabei sind das wenigstens noch die umweltfreundlicheren Eltern. Über Personen, die sich reproduzieren und fliegen, schrieb ich bereits ausführlich.
Was noch fehlt, ist das Verhalten von Leuten mit Kleinkindern im öffentlichen Verkehr. In Bussen und Zügen spielen sich oft bemerkenswerte Dramen ab.
Dramen, die sich von denen im Flugzeug nur dadurch unterscheiden, dass die Fahrt Gott sei Dank in der Regel weniger lang dauert – oder man notfalls sogar früher aussteigen kann.
Baby brüllte – Busfahrer gestört
Persönlich wurde ich Zeugin einer Busfahrt, bei der ein Baby so laut und pausenlos brüllte, dass nicht nur jeder andere Mensch im vollen Bus königlich genervt war, sondern der Busfahrer sich verzweifelt umdrehte.
Und darum bitten musste, dass das Kind beruhigt werden möge. Er könne sich sonst nicht ausreichend konzentrieren und zur «Rush Hour» keine unfallfreie Fahrt garantieren.
Dabei zeigten diese Eltern wie gesagt wenigstens einen Funken Umweltbewusstsein.
«Eltern haben Vorfahrt!»
Wenn sie selbst mit dem Auto unterwegs sind, fahren sie, als hätten sie prinzipiell Vorfahrt, was sie durchaus teilweise offen zugeben: «Eltern haben Vorfahrt!» ist ein Aufkleber, den ich persönlich an der Heckscheibe eines PKWs sah. Von den lächerlichen «Linus an Bord», «Lena fährt mit»-Bildern gar nicht zu reden.
In den USA gibt es hingegen auch Aufkleber am Auto, die folgenden Text beinhalten: «Erwachsene an Bord. Wir sind auch nicht scharf drauf, dass man uns hinten reinfährt.» Bravo!
Bei uns würden sich Eltern darüber aufregen, dass man darauf hinzuweisen wagt, dass Erwachsene auch Menschen sind, deren Leben einen Wert hat. Nicht nur Kinder!
Fünf Unfälle in vierzehn Minuten
Dazu kommt, dass sie einem im Strassenverkehr nicht selten auch ganz konkret die Vorfahrt nehmen. Oder allgemein oft nicht aufpassen, weil sie sich «nur schnell mal zu den Kindern auf der Rückbank umdrehen müssen.
So lassen sich Nachrichten wie diese aus der «Stuttgarter Zeitung» erklären, die mit trauriger Regelmässigkeit immer wieder zu lesen sind: «Mit ihrer dreijährigen Tochter im Auto hat eine 40-Jährige in Passau innerhalb von 14 Minuten fünf Unfälle verursacht.»
Insgesamt wurden dabei fünf Menschen verletzt! Aber schön altersdiskriminierend diskutieren wir lieber, ob ältere Leute den Führerausweis behalten dürfen. Oder aber, ob es nur 18-Jährige sind, die gemeingefährlich fahren.
Bitte nicht laufen
Die besagten SUVs werden dann auch gern geparkt, wo und wie es einem passt. Zum Beispiel in der zweiten Reihe, direkt vor der Schule. Damit das Kind, das abgeholt wird, ja keinen Meter zu Fuss zurücklegen muss.
Die Kriterien Umweltfreundlichkeit und Rücksichtnahme spielen leider bei Eltern auch in Sachen Mobilität nicht immer eine Rolle.
Es geht vielleicht ein wenig um die Kinder. In erster Linie aber mal wieder um sie selbst.
Und wehe dem, der es sich erlaubt, diesen Missstand zu thematisieren – oder gar zu kritisieren. Es lebe der moderne Scheiterhaufen!

Zur Person: Dr. Verena E. Brunschweiger, Autorin, Aktivistin und Feministin, studierte Deutsch, Englisch und Philosophie/Ethik an der Universität Regensburg. 2019 schlug ihr Manifest «Kinderfrei statt kinderlos» ein und errang internationale Beachtung.