NIFFF 2018: Climax lässt die Puppen tanzen
Mit «Climax» bringt Regisseur Gaspar Noé ein musikalisches Inferno auf die Leinwand. Trotz inhaltlicher Mängel überzeugt der Film qualitativ.
Das Wichtigste in Kürze
- «Climax» ist beim NIFFF 2018 von der Jury als bester Film ausgezeichnet worden.
- Eine Gruppe von Tänzern gerät in einen unfreiwilligen Drogentrip - mit fatalen Folgen.
- Das französische Werk kreuzt Elemente des Katastrophenfilms mit Horror und Musical.
Alle paar Jubeljahre kommt ein Film daher, der einen innerlich mit einer unbändigen Euphorie übermannt. Der französische «Climax», mancherorts als Horror-Musical bezeichnet, ist eines dieser Beispiele. Inspiriert von Werken wie «Suspiria», «Dawn of the Dead» oder «Christiane F.» wird der Zuschauer in einen knapp 95-minütigen Exzess gezogen. Auf dem diesjährigen Neuchâtel International Fantastic Film Festival (NIFF) gab es von der Jury dafür die Auszeichnung als bester Film.
Die Geschichte spielt im Winter des Jahres 1996 und ist von einer wahren Begebenheit inspiriert. Eine Gruppe von Tänzern probt in einer leeren Halle für die bevorstehende Tournee in Frankreich und den Vereinigten Staaten. Am letzten Abend mischt einer von ihnen LSD in die Sangria. Nach und nach entwickelt sich die euphorische Stimmung der Beteiligten zu einem verhängnisvollen Drogenrausch.
Keine Samthandschuhe
In den ersten zwanzig Minuten wird ein grandioses Eröffnungsfeuerwerk gezündet, das seinesgleichen sucht. Als Beispiel sei eine lange Tanzszene ohne erkennbare Schnitte genannt. Gedreht in einer Einstellung und mit pulsierender Musik untermalt prägt sie sich tief ins Gedächtnis ein. Es wurde allerdings in der Nachbearbeitung daran herumgetrickst, dies mindert jedoch keineswegs ihre Qualität. Sie ist dann auch der letzte Anhaltspunkt vor dem langsamen Abstieg in den Wahnsinn.
Typische Merkmale von Gaspar Noé («Irreversibel») sind ungewöhnliche Kameraperspektiven und rasante Schnittfolgen. Dies praktiziert er auch hier wieder. Das Geschehen ist, von einigen Momenten abgesehen, übersichtlich eingefangen. Das Zeigen von expliziter Gewalt hält sich in Grenzen. Mit «Climax» hat er sein bislang zugänglichstes Werk geschaffen. Das bedeutet jedoch nicht, dass er den Zuschauer mit Samthandschuhen durch das Geschehen führt. Die zweite Hälfte ist ein missglückter Drogentrip par excellence.
Grandiose Darsteller, überzeugende Musikauswahl
Die meisten Darsteller sind nationale sowie internationale Tänzer ohne Schauspielerfahrung. Es ist eine Klasse für sich, wie alle Beteiligten mit Hingabe ihren Wandel von aufstrebenden Artisten zu ausgeflippten Drogenopfern spielen. Ergänzt werden die unbekannten Gesichter mit Hauptdarstellerin Sofia Boutella («Kingsman: The Secret Service»). Ihre Leistung reiht sich nahtlos in diejenigen ihrer Kollegen ein.
Der Soundtrack spricht die Liebhaber von elektronischer Musik an. Daft Punk und deren Mitglied Thomas Bangalter haben sich daran beteiligt, ebenso weitere Szenenkünstler wie Dopplereffekt oder Aphex Twin. Je nach musikalischer Präferenz ist das absolute Spitzenklasse oder ohrenbetäubender Krach. Man sollte jedoch gewappnet sein, denn die Musik ist bis auf wenige Momente omnipräsent auf der Tonspur.
Fazit
Die passend ausgewählte Musik und das engagierte Schauspiel der Beteiligten bilden eine überzeugende Symbiose. Trotz der vielen Stärken ist «Climax» aber nicht der ganz grosse Wurf geworden. Inhaltlich fehlt es an Substanz. Das liegt daran, dass einem die Figuren mit wenigen Ausnahmen egal sind. Die oftmals improvisierten Dialoge sind teilweise so plump, dass man sie auch hätte weglassen können. Das gilt auch für gewisse Szenen, bei denen man das Gefühl hat, sie seien nur dazu da um den unvorbereiteten Zuschauer zu schocken. Nichtsdestotrotz gehört «Climax» zu den aufregendsten Filmen des Jahres.
★★★★☆
Der Kinostart für die Deutschschweiz ist auf den 13. Dezember 2018 angesetzt.
«Climax»: ein Film mit elektronischer Musik, Tanzeinlagen und LSD.