Das Doppelleben des Erlacherhof-Erbauers

Redaktion
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Bern,

Wer kennt den Erlacherhof nicht? Heute ist er der Hauptsitz der Stadtregierung. Doch wer kennt Hieronymus von Erlach, den Erbauer, genauer?

Claude Longchamp ist Historiker und Politikwissenschaftler und beleuchtet im BärnerBär einmal im Monat Unbekanntes und höchst Erstaunliches aus Berns Geschichte. -

Dank seiner hervorragenden Beziehungen zu Kaiser Joseph I. habe Hieronymus das Eingreifen Österreichs in den Konfessionskrieg im Innern der Eidgenossenschaft verhindert. Doch das ist nur die halbe Wahrheit… Denn dafür war er Konvertit, Bigamist und Spion zugleich geworden.

Wie viele burgerliche Familien in Bern, verstanden sich die von Erlachs seit dem 17. Jahrhundert als Patrizier. Damit sicherten sie Pfründe in den Untertanengebieten. Weiteres Einkommen kam aus dem Soldhandel. Denn die von Erlachs waren Anführer der Franzosenpartei, die streng zum französischen König hielt. Und der höchste Berner Titel «Wohledelfeste» sicherte der Sippe den Anspruch auf den Schultheissenthron.

Hieronymus genoss in Paris eine Offiziersausbildung. Der junge Leutnant wurde jedoch nach Südfrankreich versetzt, was ihn langweilte. Aber er lachte sich die Adlige Françoise Trouette de Montrassier an. Bald erblickte eine gemeinsame Tochter das Licht der Welt. Der Berner musste heiraten und zum katholischen Glauben übertreten. Nur ein Jahr später erhielt Hieronymus einen Brief aus Bern. Absender war der amtierende Schultheiss Willading. Er galt als reichster Mann der Stadt und bot seine einzige Tochter an. Der Weg an Berns Spitze war vorgezeichnet.

In seiner Vaterstadt verschwieg Hieronymus, in Frankreich Frau und Kind hilflos verlassen zu haben und ehelichte im reformierten Münster Anna Margareta. Als bei der Nachfolge des letzten Habsburgers auf spanischem Thron ein europäischer Krieg ausbrach, stellte sich Hieronymus sofort auf die Seite des Kaisers in Wien. Für ihn rekrutierte er ein Berner Regiment, das den Rhein bewachte. Da plante der alte Sonnenkönig Louis XIV. eine deftige Intrige. Sein Botschafter präsentierte Hieronymus die Heiratsurkunde aus Frankreich. Sie sollte nur dann geheim bleiben, wenn Hieronymus als Spion geheime Informationen nach Versailles bringen würde. Was somit auch geschah.

1715 kehrte Hieronymus in seine Vaterstadt zurück. Er baute die Schlösser Thunstetten und Hindelbank. Dann wurde er für 31 Jahre der wohl berühmteste Schultheiss der Stadt. Den Erlacherhof liess er als Höhepunkt seines reichhaltigen Lebens erbauen. Niemand ahnte, wer der Lebenmann wirklich war, bis 1934 ein Archivar entdeckte, dass die Berichte von Baron d’Elzin vom Oberrhein die Handschrift des Hieronymus von Erlach hatten.

Vor gut drei Jahren veröffentlichte der Berner Professor Nadir Weber in der Fachzeitschrift «NZZ Geschichte» eine Kurzbiografie über Hieronymus, die sein mehrfaches Doppelleben enthüllte.

Es wäre angezeigt, dem Porträt von Hieronymus im Gemeinderatssaal dasjenige der aufgeklärten Julie Bondeli gegenüberzustellen. Das würde eine wahre Lichtgestalt Berns würdigen!

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«Familie von Erlach an der Spitze des Alten Bern»


18. Februar 2024 | 10.15 – 11.30 Uhr, Start beim Erlach-Denkmal vis-à-vis des Stadtheaters

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