Immobilien: Wie wohnen wir in Zukunft?
Demografischer Wandel, Wohnungsmangel, neue Technologien: Im Bereich Wohnen verändert sich gerade vieles. Doch wohin geht die Entwicklung?

Das Wichtigste in Kürze
- Wohin geht die Entwicklung im Immobilien-Bereich?
- Der Zukunftsforscher Georges T. Roos ordnet ein, wie wir in Zukunft wohnen könnten.
- Er meint: Einzelhaushalte werden weiter zunehmen.
- Unser Zuhause wird technologisch smarter.
- Das Klima beeinflusst zukünftige Wohnmodelle.
Herr Roos, aktuell leben viele Menschen in Einpersonenhaushalten: Wird diese Wohnform weiter zunehmen oder wird es vermehrt andere Haushalts-Zusammensetzungen geben, wie WGs oder altersdurchmischtes Wohnen?
Georges T. Roos: Die Szenarien des Bundesamtes für Statistik gehen von einem grossen Wachstum der kleinen Haushalte bis 2050 aus. Dafür gibt es zwei plausible Treiber: Die Alterung der Gesellschaft und die Individualisierung. Die Schweizer Bevölkerung wächst, und am stärksten im Segment 65plus. Das führt automatisch zu Ein- und Zweipersonen-Haushalten; die Kinder ziehen aus und zurückbleiben die Eltern.
Wenn ein Partner stirbt, schrumpft der Haushalt weiter. Die Individualisierung führt dazu, dass auch Menschen im erwerbsfähigen Alter alleine leben: Sie leben Formen wie «living apart together», arbeiten in einer anderen Stadt und haben da eine kleine Zweitwohnung. Die Biografien werden vielfältig und damit auch die Wohnformen.
Ich gehe davon aus, dass die steigenden Preise und das knappe Angebot an Wohnungen zu einer Anpassung der Wohnansprüche führen wird. Wohngemeinschaften über das Segment der Studierenden hinaus können Teil der Lösung sein.
Welche Rolle werden Technologien in Richtung Smart Living für zukünftige Wohnformen spielen?
Georges T. Roos: Smart Living wird an Bedeutung gewinnen. Zunächst zur Verbesserung der Energieeffizienz, also etwa wo welche Stromquellen gebraucht werden, wo geheizt oder gekühlt werden soll, zur Beschattung.
Ich erwarte auch eine wachsende Bedeutung von intelligenten Assistenzsystemen, die unter anderem das Management des Kühlschranks und der Vorratskammer übernehmen oder das Licht und die Raum-Stimmung steuern.
Auch Hausroboter werden wohl wichtiger werden. Zum Robo-Staubsauger kommt noch der Service-Roboter dazu. Besonders wertvoll kann das für Menschen mit Beeinträchtigung und für die wachsende Zahl von Betagten sein.

Der Gebäudesektor ist ursächlich für einen Grossteil der CO2-Emissionen. Gleichzeitig wird es – gerade in Städten – immer wärmer. Was kommen hier für Veränderungen auf uns zu?
Georges T. Roos: Städte werden sich vermehrt um das Mikroklima kümmern müssen: Wie schaffen wir es, dass sich die Städte nicht übermässig aufheizen? Dazu braucht es begrünte Fassaden, entsiegelte Böden, mehr Bäume, die Schatten spenden, und die Berücksichtigung von Luftkorridoren bei der Städteplanung. Neue Gebäude sollten zudem darauf ausgerichtet sein, als Kraftwerke zu fungieren, die den Strombedarf ihrer Nutzer eigenständig decken.
Wohnraum in urbanen Ballungsgebieten ist knapp. Weichen in Zukunft mehr Menschen auf Agglomerationen oder ländliche Gebiete aus?
Georges T. Roos: Die Wohnungsknappheit besteht nicht überall. Entscheidend ist vor allem auch die Anbindung. Wer zur Arbeit pendeln muss, fragt sich nicht, wie viele Kilometer dafür zurückzulegen sind, sondern wie viel Zeit es dazu benötigt. Eine generelle Stadtflucht erwarte ich nicht – aber die Preise und die Angebotsknappheit werden den einen oder anderen aufs Land führen. Es wird erwartet, dass die kleinen Zentren besonders wachsen werden.
Hat das klassische Wohnmodell «Einfamilienhaus mit Garten» überhaupt noch eine Zukunft?
Georges T. Roos: Als Traum auf jeden Fall. Aber dieser Traum wird praktisch unerreichbar. Zum einen kostet das Einfamilienhaus sehr viel, zum anderen wollen wir die Siedlungsräume nicht weiter ausdehnen.
***
Zum Interviewpartner:
Georges T. Roos ist einer der führenden Zukunftsforscher der Schweiz, Gründer des privat finanzierten Zukunftsforschungsinstituts ROOS Trends&Futures und Co-Präsident von swissfuture. Seit 1997 analysiert er die treibenden Kräfte des gesellschaftlichen Wandels.