So viel Hass müssen Tennisprofis im Netz ertragen
Alexander Zverev kennt es. Aryna Sabalenka auch. Jeder Tennisprofi wird beleidigt und bedroht. Nicht nur im digitalen Raum. Nun gibt es Lösungsansätze.

Das Wichtigste in Kürze
- Zahlreiche Tennisprofis müssen im Netz viel über sich ergehen lassen.
- Die Drohungen und Beleidigungen führen sogar zu Angstzuständen.
- Einen grossen Einfluss auf den Online-Hass haben Sportwetten.
Morddrohungen sind traurige Realität. Sexismus und Rassismus sowieso. Und auch Hass-Kommentare wie «Hoffentlich bekommst du Krebs» gehören zum Online-Alltag eines Tennisprofis.
Egal, ob Alexander Zverev, Carlos Alcaraz, Aryna Sabalenka oder Coco Gauff – sie alle werden beschimpft, beleidigt und bedroht. Nicht immer bleibt die Hetze im digitalen Raum.
Angstzustände und Gedanken ans Karriereende
Wenn am 30. Juni der Rasenklassiker von Wimbledon beginnt, stehen Tennisspieler erneut im Rampenlicht von Millionen Fans weltweit. Auch von jenen, die ihren Hass im Netz verbreiten.
Viele Profis nutzen genau deshalb diesen Moment, um auf die eskalierende Welle an Anfeindungen aufmerksam zu machen. Sie fordern besseren Schutz und härtere Konsequenzen.

«Jeder Spieler erlebt Hass. Ich hatte deswegen auch Gedanken an ein Karriereende», offenbarte die ehemalige Wimbledon-Finalistin Ons Jabeur.
Die Tunesierin ist Muslimin, sie müsse auch aufgrund ihrer Religion in den Kommentarspalten einiges ertragen. Das berichtete sie beim Turnier in Berlin.
«Löschen, blockieren»
Bei der Britin Katie Boulter lösen diese Nachrichten inzwischen Angstzustände aus.
Etwa, wenn Unbekannte damit drohen, das Grab ihrer Grossmutter zu schänden und mit Aufforderungen wie «Bitte geh sterben» bombardieren.

Genau wie ihre Kolleginnen löscht die 28-Jährige eigenständig die Hass-Kommentare. Beziehungsweise versucht sie es, denn es sind zu viele.
Selbst Trainer oder Freunde übernehmen mittlerweile die Funktion eines Social-Media-Managers.
«Die ersten 20, 30 Minuten nach einem Match gibst du dein Handy Mama, Papa, Freund, Freundin, Trainer. Dann geht es los: Löschen, blockieren, löschen, blockieren». Das berichtete Deutschlands frühere Top-Spielerin Andrea Petkovic dem Portal «t-online».
Der fünfmalige Grand-Slam-Turniersieger Carlos Alcaraz empfahl, nicht in die sozialen Medien schauen, wenn es nicht gut laufe. «Weil die Leute können manchmal wirklich gefährlich sein».
Nur kurz nach der Halbfinal-Niederlage von Zverev in Halle, prasselten via Instagram wüste Beschimpfungen auf ihn ein.
Welche Rolle spielen Wetten?
Die Profiorganisation WTA weiss um die Bedrohungen und die psychischen Folgen für die Spielerinnen. Eine Studie, die Beiträge unter Social-Media-Konten von rund 8300 Spielerinnen analysierte, verdeutlicht die Ernsthaftigkeit des Problems.
Von 1,6 Millionen Kommentaren wurden 8000 als gewalttätig oder bedrohlich eingestuft. Im Laufe des Untersuchungszeitraums (Januar bis Dezember 2024) waren 458 Spielerinnen Ziel von Missbrauch oder direkten Drohungen.

Fünf Spielerinnen waren 26 Prozent der identifizierten Missbrauchsfälle ausgesetzt. Während 97 aktive Konten für 23 Prozent aller erfassten Missbrauchsfälle verantwortlich waren.
In 15 der schwerwiegendsten Fälle wurden die Strafverfolgungsbehörden eingeschaltet. In drei Fällen war das FBI involviert, 12 weitere Fälle wurden von nationalen Behörden bearbeitet.
Laut WTA-Bericht sind «wütende Wetter» für 40 Prozent der Beschimpfungen verantwortlich. Ein Ergebnis, das sich mit dem Eindruck der Spielerinnen deckt.

«Du kriegst Nachrichten, in denen sie schreiben, wie viel Geld sie wegen dir verloren haben. Sie drohen dir und sagen, du sollst es zurücküberweisen», berichtete Eva Lys. Petkovic meint, dass das Geschäft mit Sportwetten «alle ins Social-Media-Verderben» führe.
Der Tennisverband will nun «einen konstruktiven Dialog» mit der Glücksspielindustrie starten, um gegen diese Personen vorzugehen.
Der Deutsche Sportwettenverband liess eine Anfrage der Deutschen Presse-Agentur unbeantwortet.
Coco Gauff wird nach Hause verfolgt
Besorgniserregend ist auch, dass immer mehr Tennisspielerinnen von Bedrohungen im echten Leben berichten.
Zuletzt hatten Stalking-Vorfälle um die frühere Weltranglisten-Erste Iga Swiatek und Ex-US-Open-Siegerin Emma Raducanu für Aufsehen gesorgt. French-Open-Champion Coco Gauff erzählte, wie eine Person sie einst nach Hause verfolgte.
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Beim Turnier in Berlin sassen bei jedem Match zwei Sicherheitskräfte am Platz. Bei den Pressekonferenzen sorgten ebenfalls Sicherheitsleute für den Schutz der Spielerinnen.
«Man weiss nie, ob diese Person vor Ort ist. Man weiss nicht, ob sie in der Nähe ist oder ob sie weiss, wo man wohnt», sagte Boulter.
Was können Instagram und TikTok tun?
Boulters Landsfrau Harriet Dart sieht die Betreiber der sozialen Medien in der Pflicht. Sie fordert die Einführung von Ausweiskontrollen bei der Einrichtung von neuen Accounts auf Instagram.
«Solange Instagram nicht die Identität überprüft, können die Leute leider immer wieder neue Konten eröffnen», beklagte Dart.
Auf ihre konkrete Kritik wollte Instagrams Mutterkonzern Meta auf Anfrage nicht eingehen.

Eine Sprecherin teilte allerdings mit: «Mobbing und Hassrede sind inakzeptabel und auf unseren Plattformen nicht erlaubt. Wir gehen aktiv dagegen vor. Und arbeiten ausserdem laufend daran, Menschen noch besser vor unangebrachten Inhalten in Direktnachrichten oder Kommentaren zu schützen».
Nach dpa-Informationen beschäftigt Meta rund 40'000 Mitarbeiter im Bereich Sicherheit,. Darunter über 15'000 Inhaltsprüfer, die weltweit Meldungen prüfen.
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