Die Unterbringung von Medienschaffenden in Katar ist wegen Hotel-Knappheit eine Challenge. Ergebnis: Schweizer Journalisten leben in einem Schmuddel-Palast.
Beim Match-Schauen im Hotel-Restaurant muss man aufpassen, dass der Zwerg-Papagei einem nicht auf den Kopf kackt. - Nau.ch
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Das Wichtigste in Kürze

  • Rund hundert Schweizer Journalisten berichten aus Katar über die Weltmeisterschaft.
  • Auch Nau.ch ist vor Ort und ist wie viele andere auch in einem Grusel-Hotel einquartiert.
  • Reiseanbieter Travelclub erklärt, wie schwierig die Organisation war.

Nau.ch-Fussballchefreporter Mischi Wettstein berichtet täglich von der WM 2022 aus Katar. Er ist mit rund hundert anderen Schweizer Journalisten und Technikern im (Grusel-)Hotel Al Mansour Suites einquartiert.

Es soll nicht die Travelclub AG an den Pranger gestellt werden – aber die Umstände sollen aufgezeigt werden. In Katar herrschen teilweise einfach Zustände wie im alten Rom.

Neben Nau.ch und anderen Medien, hausiert hier auch das Schweizer Fernsehen. Auch die bekannten TV-Cracks wie Rainer Maria Salzgeber und Sascha Ruefer sowie Experte Benjamin Huggel und weiteren geschätzten Kollegen wohnen im Grüsel-Hotel.

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Ein Viersterne-Hotel wird angeworben – im Zimmer findet man aber einen Schmuddel-Teppich vor. - Nau.ch

Vor Ort trifft Wettstein ein 4-Sterne-Hotel (!) an, das nicht annähernd den Schweizer Standards entspricht. Es ist schmutzig und schmuddelig, in einzelnen Zimmern gibt es bis jetzt nicht einmal warmes Wasser. Kalt duschen ist angesagt.

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Schimmel-Alarm im Bad!
WM 2022 Katar
In der Dusche ist ein Holzschrank montiert...

Die WM-Spiele im Hotel zu schauen, ist manchmal gar nicht möglich. Im Zimmer werden die Spiele nicht übertragen; im Restaurant werden zwar die Live-Spiele gezeigt, hier gehören aber Bildausfälle dazu. Für Journalisten ist das eigentlich das Mindest-Kriterium.

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Aber Achtung: Hier gibt es dicken Rauch von den Wasserpfeifen. Und...
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...man muss aufpassen, dass einem der Zwerg-Papagei nicht auf den Kopf macht.
WM 2022 Katar Hotel
Nicht alle Vögel fliegen frei herum.

Organisiert wurde die Reise von der Travelclub AG. Managing Director Victor Tinari erzählt im Interview von der Riesen-Herausforderung an der WM 2022 und den äusserst schwierigen Umständen, die man in Katar vorfand. Aber Achtung: Es hätte noch viel schlimmer kommen können ...

Nau.ch: Victor Tinari, wir sind hier im Schweizer Medien-Hotel in Katar. Ganz ehrlich: Ich bin geschockt – es ist ein Grüsel-Tempel.

Victor Tinari: Ich verstehe, dass das Ihre Erwartungen nicht erfüllt. Es gibt eine einfache Erklärung, warum man nicht etwas bekommt, was dem gezahlten Preis entspricht: Die Nachfrage ist viel grösser als das Angebot.

WM 2022 Hotel Katar
WM im Hotel-TV? Fehlanzeige – der Bildschirm hat kein Signal. - Nau.ch

Es findet eine WM statt und so ergibt sich die Situation, dass es zu wenige Unterkünfte hat. Wenn man in einem gewissen Budget liegen will, dann muss man mit solchen Unterkünften rechnen. Wir haben Dutzende Unterkünfte angeschaut, die noch schlechter gewesen wären.

Nau.ch: Schlechter kann ich mir kaum vorstellen. Das habe ich nicht einmal erlebt, als ich vor 30 Jahren für wenig Geld, Busferien in LIoret de Mar in Spanien machte. Mein Teppich hier in meinem Zimmer – ich bin mir nicht sicher, ob der schon lebt. Und zum Glück kann man die Gerüche, welche man in einigen WCs auf den Zimmern antrifft, hier nicht einatmen, sonst würde es dem Leser übel.

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Im Journalisten-Hotel der WM 2022 in Katar gibt es Schmuddel-Teppiche. - Nau.ch

Victor Tinari: Sie haben die anderen Unterkünfte noch nicht gesehen. Ich kann Ihnen garantieren, Ihr Zimmer kann sogar unterboten werden. Es gibt Medien-Hotels – zum gleichen Preis, aber bessere Lage – die jetzt Hygiene-Probleme haben. Es gibt Unterkünfte, die noch nicht parat waren und Leute umquartiert werden mussten.

Nicht nur Leute von Verbänden, sondern auch Fifa-Angestellte, als sie zwei Wochen vor Turnier-Beginn ankamen. Ich kann Ihnen garantieren, es gibt Hotels mit noch viel tieferen Standards als hier.

Das Hotel Al-Mansour liegt direkt an einer Hauptstrasse. - Nau.ch

Nau.ch: Als Medien-Schaffender sind das hier für mich keine Strand-Ferien. Aber ich hätte erwartet, dass ich in meinem Zimmer einmal in Ruhe einen Match am TV schauen kann. Das ist hier nicht möglich. Ich muss ins Hotel-Restaurant, wo geraucht und Wasserpfeife gepafft wird. Zudem besteht die Gefahr, dass mir ein frei fliegender Zwerg-Papagei auf den Kopf kackt oder ins Essen.

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Aufgepasst vor den Zwerg-Papageien im Restaurant, wenn diese mal müssen! - Nau.ch

Victor Tinari: Es sind spezielle Umstände hier. Zum Fernseher: Dieses Hotel hier hat kein Pay-TV. Und auf dem öffentlichen TV gibt es zwei Kanäle, die Fussball zeigen, aber leider nicht jeden Match.

Nau.ch: Das hätte man aber im Vorfeld mit dem Hotel-Besitzer regeln können.

Victor Tinari: Das stimmt und das nehmen wir auf unsere Kappe. Es ist das erste Mal, dass das öffentliche Fernsehen nicht alle Spiele zeigt. Das haben wir nicht gewusst.

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Überall im Zimmer gibt es sanierungsbedürftige Elektronik.
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Auch in der Dusche...
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So sieht es aus, wenn man an die Wand der Dusche schaut.

Nau.ch: Für euch war es eine Riesen-Organisation, weil es sich nicht um fünf, sechs Leute, sondern um rund hundert Journalisten und Techniker handelte. Alle müssen zudem mit Bussen an die Trainings und die Spiele gefahren werden können. War das eigentlich die ganz grosse Knacknuss?

Victor Tinari: Das ist so. Als Einzel-Reisender ist es viel einfacher. Wenn man alleine ist und immer wieder auf das Reise-Portal der Qatar Accommodation Agency nachschauen gegangen wäre und mit Glück hier etwas buchen konnte, dann hätte man zu anständigen Preisen etwas bekommen. Aber da sprechen wir von einem oder zwei Zimmern.

Wir bewegen hier eine ziemliche Masse, neben Fans auch Journalisten. Da muss man auch an die Logistik denken, wir müssen die Journalisten von A nach B bringen. Es ist fast nicht anders machbar, als alle unter einem Dach zu haben.

Nau.ch: Die Hotel-Preise variieren stark. Wenn nicht WM ist, kostet dieses Hotel zwischen 60 und 80 Franken. Jetzt gibt es Tagespreise von bis zu 1000 Franken. Da wollen doch einige ihre Taschen prall füllen?

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Immerhin: Die Bananen gehen im Hotel Al Mansour Suites nicht aus... - Nau.ch

Victor Tinari: Tatsächlich, ja. Die Hotels versuchen, so viel wie möglich zu verlangen. Es ist die Realität, dass Zimmer während der WM fünf bis zehn Mal mehr kosten.

Nau.ch: Gibt es einen Schuldigen? Steckt am Ende gar die Fifa dahinter?

Victor Tinari: Nein, die Fifa steckt nicht dahinter. Das sind die Zimmer, welche die Hotels selbst verwalten können. Die Zimmer, die von der Fifa beziehungsweise der offiziellen Qatar Accommodation Agency verkauft werden, haben einen fixen Preis.

Wurden Sie im Ausland auch schon einmal von einem Hotel enttäuscht?

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