European League: Jetzt will der BSV die Halle dreimal füllen!
Der BSV Bern verliert im Sommer prägende Spieler, qualifiziert sich dann erstmals für die Gruppenphase der EHF European League.

Was für eine Achterbahn der Gefühle: Der BSV Bern erlebt im Sommer 2025 gleich mehrere Extremsituationen. Erst spielt sich die Mannschaft in einem begeisternden Lauf in den Playoff-Final.
Gegen die Kadetten Schaffhausen geht es in allen Partien eng zu und her, doch am Ende heisst das bittere Verdikt: drei Spiele, drei knappe Niederlagen, 0:3.
Schon vor dem Final weiss man: Topskorer und Spielmacher Felix Aellen, das Gesicht der letzten Jahre, zieht in die Deutsche Bundesliga weiter. Auch Abwehrchef Dominik Weiss verlässt den Verein und heuert in der 2. Bundesliga an.

Die Fragezeichen sind gross, als die Saison 2025/26 beginnt. Wie wird die Mannschaft diese gewichtigen Abgänge verkraften? Wie wird sie sich international behaupten, wenn der BSV wieder im Europacup startet?
Der Auftakt in der Liga verläuft ernüchternd. Gegen Schaffhausen, den Finalgegner des vergangenen Frühjahrs, setzt es gleich die nächste Niederlage ab. Doch danach dreht sich die Stimmung.
Zwei Siege in der Meisterschaft, dazu zwei klare Erfolge im Europacup gegen das kroatische Team MRK Cakovec – der BSV reitet auf einer Welle des Erfolges. Zum ersten Mal in der Vereinsgeschichte qualifiziert sich das Team für die Gruppenphase der EHF European League.
Ein Spiel vor 10'000 Zuschauern?
Trainer David Staudenmann reibt sich ungläubig die Augen, als er nach dem klaren Sieg gegen die Kroaten in der heimischen Mobiliar-Arena in Gümligen zur LED-Tafel blickt.
Dort stehen die Namen der Gegner: THW Kiel, Montpellier Handball und das polnische Team KPR Ostrovia Ostrow Wielkopolski. Kiel und Montpellier – das sind zwei der klangvollsten Adressen im Welthandball. Vereine, die nicht nur Champions-League-Siege gefeiert, sondern auch Weltstars hervorgebracht haben.

Für Staudenmann, der noch vor eineinhalb Jahren als junger Trainer beim BSV angefangen hat, ist das ein Moment, der ihn tief bewegt.
«Das ist ein Bubentraum», sagt er. Besonders die Aussicht auf die Ostseehalle in Kiel, wo über 10'000 Zuschauer Platz finden, sorgt für Gänsehaut.
Der BSV-Höhenflug trägt auch Staudenmanns Handschrift. Nach den gewichtigen Abgängen im Sommer suchte er sofort das Gespräch. Er redete mit jedem Spieler einzeln, dann auch mit der Mannschaft als Ganzes.
Wie kompensiert man den Verlust eines Jahrzehntspielers wie Felix Aellen? Wie geht man mit der neuen Situation um? Staudenmann machte klar, dass sich Rollen verschieben werden.
«Ich habe jedem gesagt, dass er mehr Verantwortung übernehmen darf – und muss», erklärt er.
«Jeder macht ein bisschen mehr»
Die Botschaft war deutlich: Die Abgänge werden nicht durch Einzelne ersetzt, sondern durch das Kollektiv. «Wir kompensieren, indem jeder ein bisschen mehr macht», sagt Staudenmann.
Seine Erwartungen hat er jedem Spieler persönlich mitgeteilt. Er spricht nicht nur über Tore und Assists, sondern über Entwicklung, über Haltung und über Werte.
«Nur wer Fehler macht, kann wachsen.» Es brauche deshalb von allen eine hohe Fehlertoleranz, um das dringend notwendige Wachstum zu ermöglichen.
Denn das Team muss sich entwickeln, wenn der BSV auch dieses Jahr an die Erfolge der letzten Saison anknüpfen und in der European League nicht untergehen will.
Die Qualifikation für die Playoffs hat sich das Team zum Ziel gesetzt – genauso wie die Teilnahme an der European League. Dieses Ziel ist bereits erreicht.

Doch das Abenteuer Europa stellt den Verein vor ganz neue Herausforderungen. «Bis Weihnachten spielen wir fast nur englische Wochen», sagt Staudenmann.
Für eine Mannschaft, in der ein Drittel der Spieler berufstätig ist und der Rest studiert, bedeutet das eine Belastung, die kaum zu vergleichen ist mit den Bedingungen bei Profiklubs im Ausland.
Auch Staudenmann selbst führt neben seiner Trainertätigkeit eine Kommunikationsagentur. Nur dank eines starken Teams von Mitarbeitenden kann er es sich leisten, während der Saison so viel Zeit in den Handball zu investieren.
«Dieses Europa-Abenteuer ist nur möglich, weil ganz viele Leute bereit sind, einen Sonder-Effort zu leisten», betont er.

Auch organisatorisch und finanziell bewegt sich der BSV auf Neuland. Präsident Anton Gäumann spricht von einer «grossen Herausforderung».
Für die Spiele der European League müssen LED-Banden zugemietet und Fernsehübertragungen garantiert werden. Kosten im tiefen sechsstelligen Bereich entstehen – allein für Reisen, für die temporäre Aufrüstung der Halle, für das ganze Drumherum.
«Hoffen, dass wir die Halle drei Mal füllen können»
Um diese zu stemmen, braucht es auch die Begeisterung der BSV-Fans. Gäumann setzt auf volle Ränge in der Mobiliar-Arena. «Wir hoffen, dass wir die Halle drei Mal füllen können. Mit 2100 Zuschauern pro Spiel sind wir schon einen grossen Schritt weiter.»
Um die Nachfrage zu bündeln, verkauft der Verein die Tickets für die EHF European League im Paket. Montpellier und Kiel gelten als Publikumsmagneten. «Wir haben ein attraktives Los gezogen», sagt Gäumann.
Der Präsident ist überzeugt, dass die Herausforderungen durch den sportlichen Erfolg die Strukturen des Vereins langfristig stärken wird. «Das wird uns noch enger zusammenschweissen.» Seit zwei Jahren arbeitet er daran, die verschiedenen Gefässe des BSV enger zu verzahnen.

Die Stiftung, welche die Halle besitzt, die Akademie, der Bärenclub, die erste Mannschaft und der Nachwuchs – früher griffen diese Teile zu wenig ineinander. Heute laufen die Fäden bei der Geschäftsstelle zusammen.
«Wir wollen im Handball erfolgreich sein und das geht nur, wenn wir alle am gleichen Strick ziehen», sagt Gäumann.
Solidarität fordert Staudenmann auch von seinen Spielern. «Wenn einer von uns fällt, helfen ihm zwei auf die Beine», erklärt er. Einmal im Monat trifft sich die Mannschaft zu einer Versammlung.
Das Team fragt sich dann: Waren wir solidarisch? Waren wir aggressiv genug? Jeder äussert sich, manchmal auch in Prozentangaben. Denn Solidarität und Aggressivität sind die Basis für eine starke Defensive.
Und genau die hat in den ersten Spielen überzeugt. Jetzt wird sie zeigen können, ob sie auch auf europäischem Parkett bestehen kann.