So kommen RS-Kameraden über Tod von Grenadier (†21) hinweg
Das Wichtigste in Kürze
- Ein Grenadier-Rekrut (†21) starb am Dienstag bei einem Leistungsmarsch in Isone TI.
- Sportpsychologe Alexander Scherz sagt, wie das tragische Ereignis bewältigt werden kann.
Ein 21-jähriger Waadtländer Grenadier-Rekrut brach am Dienstag bei einem Leistungsmarsch in Isone TI tot zusammen, Weshalb, ist weiterhin nicht klar. Die Militärjustiz untersucht den tragischen Vorfall.
Sportpsychologe Alexander Scherz erklärt, wie die Kameraden des verstorbenen Grenadier-Rekruten das tragische Ereignis bewältigen können.
Nau.ch: Wie wirkt sich der plötzliche Tod des Elite-Rekruten auf die restlichen Rekruten aus?
Alexander Scherz: Zunächst einmal ist dies ein tragischer Unfall. Es bestürzt mich zutiefst, dass ein junger Mensch so jäh aus dem Leben gerissen wurde. Ein Todesfall im Zug ist eine Ausnahmesituation. Für die Kollegen ist dies natürlich ein Schock. Stressreaktionen wie Wut oder Trauer sind dabei vollkommen normal.
Die Verarbeitung eines Todesfalls ist individuell verschieden. Manche möchten lieber allein trauern, andere haben das Bedürfnis, sich mit anderen Trauernden auszutauschen.
Somit ist es unter anderem sinnvoll, eine kompetente externe Fachperson, wie etwa einen Psychologen hinzuzuziehen, der den Trauerprozess begleitet. Hier sollte man den Gefühlen auch Raum lassen und den jungen Männern die Möglichkeit bieten, im geschützten Rahmen über ihre Gefühle sprechen zu können.
Nau.ch: Ist die Motivation, die RS zu beenden, nach einem so tragischen Ereignis überhaupt noch vorhanden?
Alexander Scherz: Es ist wichtig, sich Zeit für den Abschied zu nehmen und Tod und Trauer aus der Tabuzone herauszuholen. Trauer gehört zu unserem Leben und ist eine Möglichkeit Abschied zu nehmen. Es ist aber auch wichtig, sich auf die Aufgaben und Ziele zu konzentrieren, die vor einem liegen.
Trauer ist auch eine grosse Energiequelle, wenn sie denn Platz hat. So kann zum Beispiel eine gemeinsam mit dem Zug erarbeitete Todesanzeige, ein Trauerbuch oder ein anderes Abschiedsritual dabei helfen, sich von dem Kollegen zu verabschieden und wieder Struktur und Routine zu finden, um sich auf die kommenden Aufgaben zu konzentrieren.
Dabei können Vorstellungen hilfreich sein, dass es sicherlich im Sinne des Verstorbenen gewesen wäre, weiter zu machen und die Ausbildung erfolgreich zu beenden.
Nau.ch: Die Grenadier-Ausbildung ist die härteste RS. Der psychologische Aspekt muss sehr wichtig sein.
Alexander Scherz: Die Ausbildung zum Grenadier fordert ein hohes Mass an physischer und psychischer Leistungsfähigkeit sowie enormes Durchhaltevermögen. Für diese herausfordernde Funktion kommen nur Freiwillige in Frage, welche in verschiedenen Selektionsprozessen die geforderten Leistungen erbringen.
Generell agieren Eliteeinheiten sowohl im psychischen, wie im physischen Grenzbereich. Der mentale Aspekte spielt dabei immer eine entscheidende Rolle. Denn spielt der Kopf nicht mit, dann wird es nichts mit dem Erreichen der gesteckten Ziele und man gefährdet unter anderem sich und andere.
Nau.ch: Wie kann man Grenadier-Rekruten in so einer Situation mental stärken?
Alexander Scherz: Beispielsweise durch die Umwandlung destruktiver Sätze wie «Ohne unseren Kollegen hat alles keinen Sinn mehr» in konstruktive Sätze wie «Was würde unser Kollege wollen, wenn er uns hier sehen würde?» Häufig fallen dann Stichworte wie «Erfolg und Freude für die Verbliebenen», «Zusammenhalt», «Kraft», «Stärke» und «Weiter machen».
Nau.ch: Brauchen RS-Grenadiere überhaupt psychologische Betreuung?
Alexander Scherz: Psychologische Betreuung ist kein Zeichen von Schwäche, genauso wenig ist Trauer eine Krankheit. Durch die psychologische Betreuung können Handlungspläne oder Verhaltensweisen angeeignet werden, um mit zukünftigen Ausnahmesituationen adäquat umzugehen.
Nau.ch: Wie wichtig ist eine Vertrauenskultur, so dass ein Rekrut etwa seinem Vorgesetzten sagen kann, dass er sich nicht fit fühle?
Alexander Scherz: Sehr wichtig. Es ist eine Führungsaufgabe Werte wie Vertrauen, Respekt und offene Kommunikation zu etablieren und sie auch vorzuleben.
Rekruten zu führen heisst auch, manchmal im Befehlston zu agieren, damit der Rekrut klar weiss, was er machen muss. Das Ziel ist einzig und allein die Erfüllung der Aufgabe mit dem geringsten Risiko.
Die klare Führung wird dem unerfahrenen Rekrut Sicherheit vermitteln und er lernt, dass die erfolgreiche Aufgabenbewältigung nicht nur eine Frage der Intuition, sondern des Fachwissens, der Disziplin, des Fleisses und der Hartnäckigkeit ist. Dies erlaubt dem Rekruten auch einen Einblick in seine eigene Leistungsfähigkeit.