Geht es um Tierversuche, kochen die Emotionen über. Einmal mehr verlangen Tierschützer ein komplettes Verbot. Realistisch ist dieses jedoch noch lange nicht.
Tierversuch
Die Vorschriften für Tierversuche in der Schweiz gelten im Vergleich zum Ausland als sehr streng. - Keystone
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Das Wichtigste in Kürze

  • Ein Labor in Hamburg hatte Hunde für eine Schweizer Pharma-Firma qualvoll sterben lassen.
  • Schweizer Tierschützer verlangen per Petition ein Stop von Tierversuchen.
  • Forscher hingegen sagen: Das ist in naher Zukunft nicht möglich.

Blutende Hunde oder Affen im Abfallsack - schreckliche Enthüllungs-Bilder aus dem deutschen Labor LPT haben das Unternehmen nun zur Schliessung gezwungen. Mittendrin: Das Wädenswiler Pharma-Unternehmen Inthera Bioscience.

Dieses hatte LPT Aufträge erteilt und sich bisher nie konkret zu den Vorwürfen geäussert. Auch heute nicht - die offizielle Nummer der Firma wurde stumm geschalten.

Umso wütender sind Tierschützer von Animal Rights Switzerland, welche diese Woche eine Petition mit 18'000 Unterschriften bei Inthera eingereicht haben. Sie fordern den radikalen Ausstieg aus dem Geschäft mit Tierversuchen.

Tierschutz
Tierschützer von Animal Rights Switzerland demonstrierten im Oktober vor dem Firmensitz von Inthera Bioscience. - Nau

Auch der Schweizer Tierschutz STS kritisiert regelmässig «nicht tiergerechte Versuchstierhaltung, in fragliche, kaum übertragbare Forschungsergebnisse». Doch der komplette Ausstieg scheint noch weit entfernt.

Vermehrt alternative Testmethoden, aber...

Forscher sagen klar: So schnell geht das nicht. Die Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaften ZHAW arbeitete beispielsweise mit Inthera Bioscience zusammen. Nach Bekanntwerden des Skandals wurde diese Zusammenarbeit jedoch schnell gestrichen.

firma zhaw
Ein Foto der Organisation Soko Tierschutz soll einen misshandelten Hund in dem Labor bei Hamburg zeigen. - dpa-infocom GmbH

Sprecher Manuel Martin sagt zu Nau: «Dank alternativer Testmethoden in der Medikamentenentwicklung wird es künftig weniger Tierversuche geben.» Sofern jedoch die gesetzlichen Rahmenbedingungen diese alternativen Methoden erlauben. «Weltweit wird viel in diesem Bereich geforscht.»

Ähnliche klingt es von Seiten des Staatssekretariats für Bildung, Forschung und Innovation, welches eng mit dem Bundesamt für Lebensmittelsicherheit und Veterinärwesen BLV verknüpft ist.

Beide rechtfertigen: «Letztes Jahr wurde gemeinsam mit den Hochschulen und der pharmazeutischen Industrie ein Kompetenzzentrum gegründet, das die sogenannten 3R-Prinzipien (Replace, Reduce, Refine) stärken soll. Diese haben zum Ziel, Tierversuche zu ersetzen, weniger Tierversuche durchzuführen und die Tiere bei den Versuchen weniger zu belasten.»

Forschung
Gerade in der Medikamenten-Forschung sind Tierversuche bis heute noch nicht ersetzbar. - Keystone

Das BLV warnt zudem, bei einem sofortigen Tierversuchs-Stop «wäre die Einführung von neuen Medikamenten und die Versorgung mit Medikamenten nicht sichergestellt». Auch der Einbezug von Personen wäre nicht sichergestellt, wenn menschliche Krankheiten erforscht werden müssten.

«Die Schweizer Bevölkerung könnte zudem aufgrund des Importverbots nicht mehr von wissenschaftlichen Entwicklungen im Ausland profitieren. Das würde neue Medikamente genauso betreffen, wie Pflanzenschutzmittel, Chemikalien oder Nahrungsergänzungsmittel, die mit Tierversuchen erforscht wurden.»

Tierversuche für die Krebsforschung unabdingbar

Doch wo genau sind Tierversuche unabdingbar? Martin von der ZHAW nennt «essentielle Erkenntnisse beispielsweise zur Entwicklung neuer Therapieansätze». Aber auch zur Erforschung von Fragestellungen des Tierwohls in Landwirtschaft und Natur.

Das BLV ergänzt, trotz wachsender alternativer Testmethoden «kann die Verwendung von tierversuchsfreien Ersatzmethoden derzeit die Komplexität ganzer Organismen und Krankheiten nicht vollständig nachahmen.»

Tierversuch
Tierversuche werden sowohl in Schweizer, wie auch ausländischen Labors durchgeführt. - Keystone

Insbesondere für «die Erforschung physiologischer Wechselwirkungen in der Grundlagenforschung sowie bei chronischen und systemischen Erkrankungen». Beispielsweise Krebs, immunologische, metabolische oder (neuro)degenerative Erkrankungen.

«Wir brauchen diese Forschung, um bestehende Wissenslücken zu schließen und aktuelle technologische Einschränkungen zu überwinden.»

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