Wasserfallen (FDP): «Wirtschaftlich hinkt Kanton Bern hinten nach»
Falsche Entscheidungen und zu wenig standhaft: Im BärnerBär-Interview geht der Berner FDP-Nationalrat Christian Wasserfallen mit seiner Partei hart ins Gericht.

Falsche Entscheidungen und zu wenig standhaft: Der Berner FDP-Nationalrat Christian Wasserfallen geht mit seiner Partei hart ins Gericht.
Zudem lässt er im Interview durchblicken, dass er 2027 erneut antreten will.
BärnerBär: Was ärgert Sie mehr? Das Ja Ihrer Partei zum EU-Vertragspaket oder die Ausschreitungen in Bern?
Christian Wasserfallen: Die Krawalle haben mich genervt, weil sie absehbar waren, trotzdem hat man es drauf ankommen lassen. Bern hat – einmal mehr – ein trauriges Bild abgegeben. Nur hat das in der Stadt unterdessen leider schon fast Tradition.

Bei den EU-Verträgen hat mich erstaunt, wie deutlich das Resultat an der Delegiertenversammlung ausfiel und wie die Debatte aus einer eher kurzfristigen, wirtschaftlichen Perspektive geführt wurde und Dinge wie direkte Demokratie, Kohäsionszahlungen oder das Problem der institutionellen Anbindung kleingeredet wurden.
BärnerBär: Markus Somm erklärte im Podcast «Roger gegen Markus» sinngemäss, das Ja der FDP zu den Bilateralen sei der Anfang vom Ende des Freisinns.
Wasserfallen: Wir sagen beim Europa-Paket Nein zum Ständemehr, was aus meiner Sicht ein verheerender Fehlentscheid ist. Denn jetzt könnte zum Beispiel die Mitte-Partei ein solches befürworten und weitere Kritikpunkte anbringen und würde dadurch bürgerlicher auftreten als wir.
BärnerBär: Der Entscheid an der DV führte zu diversen Austritten.
Wasserfallen: Ja, ich erhielt diverse Mails, in denen mir genau dies mitgeteilt wurde. Das bedaure ich sehr.
BärnerBär: Sie stehen innerhalb der FDP ziemlich rechts. Sie könnten ja ebenfalls austreten.
Wasserfallen: Sicher nicht. Das ist keine Option, denn die Situation ist für mich nicht neu: Bei Klimafragen, als man sich vor den Wahlen 2019 ein plötzlich grünes Mäntelchen umlegen wollte, leistete ich heftigen Widerstand.

Das CO2-Gesetz wurde dann zwei Jahre später von den freisinnigen Wählerinnen und Wählern deutlich abgelehnt. Heute sagen mir viele: Du hattest damals recht. Nur müssen wir daraus endlich unsere Lehren ziehen.
Energiestrategie, Bankenrettungen, Klimathemen und nun die EU-Verträge: Zu oft haben wir falsche Entscheidungen gefällt und zu solch schwerwiegenden Geschäften zu schnell Ja und Amen gesagt. Wir müssen nicht immer von allen geliebt werden, sondern dieses Land mit Überzeugung gestalten.
BärnerBär: Gab es vor der DV parteiintern heftige Reibereien?
Wasserfallen: Ja, doch ich bin mir das gewohnt. Es wurden mitunter persönliche Angriffe gegen mich und andere gefahren. Das halte ich für unnötig. Besser wäre, mit Argumenten zu überzeugen.
BärnerBär: Solche Diskussionen hallen bei Ihnen nicht nach?
Wasserfallen: Nein. Ich halte die Entscheidung inhaltlich für grundfalsch, persönlich habe ich keine Mühe damit.
BärnerBär: Müsste die FDP öfter auf die konservativen Stimmen innerhalb der Partei hören?
Wasserfallen: Wir sollten vor allem konstant bleiben. Ändern wir alle sechs oder sieben Jahre unsere Optik auf die Politik, passiert genau das, was wir jetzt beobachten können: Die FDP wird nicht mehr als verlässliche bürgerliche Partei rechts der Mitte wahrgenommen – was sie eigentlich ist.
Als wir mit dem damaligen Parteipräsidenten Philipp Müller einen dezidiert rechtsliberalen Kurs fuhren, knallig kommunizierten, den Gegner angriffen und benannten …
BärnerBär: Der da wäre?
Wasserfallen: Was das Gedankengut anbetrifft: die Linken und Grünen und definitiv nicht die SVP. Das Resultat? Wir gewannen 2015 Wahlen. Weil wir auch über Migrationsthemen debattierten.
Und wir sagten mal Nein, selbst wenn wir eine Economiesuisse oder einen Gewerbeverband vor den Kopf stiessen. Wir sind nämlich nicht der verlängerte Arm der Wirtschaftsverbände, sondern eine politische Partei, von der man klare Kante erwartet.
BärnerBär: Die Gefahr besteht, dass man sich zu fest bei der SVP anbiedert und kaum noch von ihr unterscheidbar ist.
Wasserfallen: Es gibt riesige Unterschiede zwischen uns und der SVP: Sie will mit der 10-Millionen-Initiative die Personenfreizügigkeit aufkündigen und damit den gesamten bilateralen Weg abbrechen. Da sind wir klar dagegen.
Wir stehen zu Schengen/Dublin und wollen keine Insel im Asylwesen mitten in Europa werden, wo alle noch ein zweites Asylgesuch stellen können, das wäre verheerend.
Wir wollen keine systematischen Grenzkontrollen einführen und uns abschotten, sondern gezielt kontrollieren und dank des Schengen-Informationssystems wissen, welche Übeltäter versuchen einzureisen. Wir sollten bloss bei Gegenwind nicht stets einbrechen und standhaft bleiben.
«Wirtschaftlich hinkt der Kanton hinten nach»
BärnerBär: Die Wahlen in Köniz galten als Testlauf für die kantonalen Wahlen im Frühling. Dort schnitten die Freisinnigen alles andere als gut ab. Bereitet Ihnen der 29. März Sorgen?
Wasserfallen: Sehr grosse sogar, ja. Ich kann mir kaum vorstellen, dass die bedingungslose Positionierung beim EU-Paket hilfreich sein wird.
Wir müssen aufzeigen, wieso es unsere Partei im Kanton braucht. Wirtschaftlich etwa hinkt der Kanton hinten nach; es gibt negative Anreize beim Finanzausgleich, wir sind ein zu grosser Profiteur und haben uns daran gewöhnt.
Hinzu kommen riesige Herausforderungen bei der Energieversorgung sowie bei Infrastruktur im Bahnbereich und bei den Autobahnen. Seien wir hartnäckig: Links-Grün bringt jedes Dossier so oft, bis es angenommen wird.
Bei der Migrationspolitik wiederum muss Bern eine harte Linie fahren, anstatt in einen Kanon mit anderen Kantonen einzustimmen, die von einer Willkommenskultur träumen. Zum Glück haben wir mit Philippe Müller einen fähigen Regierungsrat.
BärnerBär: Nochmals: Für einen harten Kurs in der Asylpolitik ist doch die SVP zuständig.
Wasserfallen: Wenn es im Asylwesen brodelt, braucht es realisierbare Lösungen. Einfach laut schreien bringt nie etwas. Ja, wir müssen Probleme deutlicher benennen und ebenfalls unsere Stimme erheben …
BärnerBär: Plakativer sein?
Wasserfallen: Unbedingt! Und Lösungen aufzeigen, aber das können wir ja.

BärnerBär: Wir haben zu Beginn des Interviews kurz über die Ausschreitungen in Bern gesprochen. Was sollte die Stadt aus Ihrer Sicht nun tun?
Wasserfallen: Erstens haben wir ein Problem, wenn etablierte Parteien wie die Grünen zu jener Demo mit aufgerufen haben, obwohl sie illegal war. Die Juso haben sich bis heute nicht davon distanziert. Der Zweck heiligt nie die Mittel.
Zweitens bin ich enttäuscht: Vom Sicherheitsdirektor und von der Stadtpräsidentin wiederum kam gar nichts …
BärnerBär: Moment: Marieke Kruit gab in den Tamedia-Zeitungen ein grosses Interview.
Wasserfallen: Drei Tage später, ja. Vor der Gewalt-Demo gab es von Rot-Grün vor allem ohrenbetäubendes Schweigen.
Eine klare Kommunikation seitens der Stadt wäre gewesen: An alle, diese Demo ist illegal! Wer trotzdem anreist, wird wieder zurückgeschickt oder von der Polizei abgeführt.
BärnerBär: Sie sind seit 2007 Nationalrat, befinden sich in Ihrer fünften Legislatur. Manche finden: Der Chrigu sollte mal langsam seine Koffer packen.
Wasserfallen: Unser Ziel ist, den 2023 verlorengegangenen FDP-Sitz 2027 zurückzuholen. Angesichts meines Stimmenpotenzials steht für mich fest, dass ich dazu beitragen will.
Zudem bin ich voll motiviert und spüre grosse Unterstützung für meine politische Arbeit.








