Valentina Achermann (SP): Braucht es mehr Party in der Politik?
Valentina Achermann wird im Grossen Rat eine der Jüngsten sein. Im Interview räumt sie ein: Manchmal muss sie einen Gang runterschalten.

Das Wichtigste in Kürze
- Valentina Achermann (SP) rückt als Berner Grossrätin nach für Nicola von Greyerz.
- Die Psychologin will sich unter anderem für Gewaltopfer einsetzen.
- Energie tankt sie im Ausgang – in der Politik brauche es dagegen nicht noch mehr Party.
Valentina Achermann sitzt seit 2021 für die SP im Berner Stadtrat. 2024 war sie mit 29 Jahren die jüngste Stadtratspräsidentin der Geschichte.
Sie arbeitet als Psychologin für Kinder- und Jugendliche im Ambulatorium für Folter- und Kriegsopfer des Schweizerischen Roten Kreuzes.
Achermann rückt per 1. September nach als Grossrätin anstelle von Nicola von Greyerz, die zurücktritt. Von Greyerz sass seit 2014 im Kantonsparlament.
Im Interview erklärt Valentina Achermann, warum es nebst Politik und Partei auch Party braucht. Und wie sich Alter, Beruf und Tempo in ihrer politischen Arbeit niederschlagen.

BärnerBär: Eben gerade noch die jüngste Berner Stadtratspräsidentin, jetzt bereits Grossrätin: Sie sagen selbst, alles gehe schnell in Ihrem Leben. Ist es manchmal auch zu schnell, oder können Sie das Tempo positiv ummünzen als positiver Stress?
Valentina Achermann: Das wäre etwas romantisierend, wenn ich sagen würde, das wäre nur «Eustress». Aber es hat bei diesen Themen sicher nicht nur schlechte, sondern auch positive Seiten.
Wenn man so ist wie ich, dann muss man sich immer wieder vornehmen, einen Gang herunterzuschalten. Manchmal gelingt es, manchmal scheitert es.

BärnerBär: Was haben Sie sich für Ziele gesetzt im Grossen Rat?
Valentina Achermann: Das sind vor allem politisch-inhaltliche Ziele. Einerseits in meinem Bereich, der Psychotherapie, wenn es um Gewaltopfer geht: Es braucht mehr Opferberatungsstellen, mehr Frauenhäuser, mehr Anlaufstellen für Gewaltopfer.
Im Bereich Polizei wünsche ich mir eine diskriminierungsfreiere Sicherheitspolitik, Stichwort «Racial Profiling». Und es braucht eine gezielte Schulung der Einsatzkräfte im Umgang mit Gewaltopfern.
Weiter will ich mich dafür einsetzen, dass die Grundversorgung mit psychotherapeutischen Leistungen sichergestellt ist. Zum Teil warten Kinder bis zu einem Jahr, nur um eine ADHS-Abklärung zu machen, weil Fachleute fehlen. Zur Grundversorgung dazu gehören darum aber auch die Arbeitsbedingungen des Personals.
Drittens der Bereich Migration: Eine menschliche Asylpolitik, konkret keine unterirdischen Unterkünfte und das die Unterkünfte auch kinderfreundlich sind. Der Zugang zu Bildung, Arbeit und psychologischer Betreuung muss sichergestellt sein.

BärnerBär: Sie sind auch im Grossen Rat eine der Jüngsten, aber es gibt immerhin etwa zwei Dutzend Parlamentsmitglieder in ihrem Alter. Ist es für Sie eigentlich einfacher, mit diesen zusammenzuarbeiten, auch über Parteigrenzen hinweg?
Valentina Achermann: Ich bin mir jetzt nicht sicher, ob das Alter die entscheidende Komponente ist. Das ist ein Aspekt – weil man ähnlich sozialisiert ist, oder von der Klimapolitik gleichermassen betroffen ist.
Aber das hat eigentlich mehr mit der Sozialisation zu tun als mit dem Alter. Aber ganz generell begrüsse ich natürlich die Verjüngung im Parlament.

BärnerBär: Sie tanken Energie, indem Sie die ganze Nacht durchtanzen. Aber je mehr Ämter Sie haben, desto weniger Zeit bleibt für Party. Oder braucht es einfach mehr Party in der Politik?
Valentina Achermann: Da ist schon genug Party. Vor allem, wenn man all die Apéros anschaut.
Das ist natürlich schon eine Ressourcenfrage. Es wird sich zeigen, ob ich noch genügend Zeit habe, in den Ausgang zu gehen. Aber ich achte darauf, dass ich meinem Privatleben genügend Raum gebe. Ich glaube nicht, dass man eine bessere Politikerin ist, wenn man 24/7 arbeitet.
Ich tanke Energie, indem ich Spass habe und mit anderen Leuten zusammen bin. Nicht mit Ruhe und einem guten Buch.

BärnerBär: Machen wir zum Schluss noch eine Prognose: Nächstes Jahr werden Sie als Bisherige wiedergewählt und werden dann bald mal Grossratspräsidentin?
Valentina Achermann: (lacht) Ich würde mich über eine Wiederwahl freuen. Grossratspräsidentin – damit habe ich mich noch überhaupt nicht auseinandergesetzt.
Nachgerückt
Der BärnerBär stellt die neuen Mitglieder im Grossen Rat vor, die über den Sommer für ihre zurücktretenden Partei-Gschpänli nachrücken. Bereits erschienen ist:
Hotelier René Maeder: Mit 71 erstmals Grossrat
Der Adelbodner Gemeindeobmann Willy Schranz (EDU)
Eigentlich habe ich es jetzt gerad wieder entdeckt, thematisch zu arbeiten. Und nicht, wie als Stadtratspräsidentin, alles neutral formulieren zu müssen. Aber wer weiss!