Trotz Solar-Boom: BKW verzichtet auf Niedertarif am Nachmittag
Immer mehr Solardächer liefern tagsüber günstigen Strom. Ein Niedertarif wäre aber nach wie vor keine Lösung, erklärt die BKW. Die Konkurrenz widerspricht.

Das Wichtigste in Kürze
- Wegen immer mehr Solarstrom ist Strom de facto am Nachmittag günstiger als je zuvor.
- Die BKW verzichtet trotzdem weiterhin auf einen Niedertarif.
- Anders die Westschweizer Groupe E: Sie führt einen Niedertarif von 12 bis 17 Uhr ein.
Der auch teilweise im Kanton Bern tätige Westschweizer Energiekonzern Groupe E führt ab 2026 einen Nachmittags-Niedertarif ein.
«So können wir lokale und erneuerbare Energien fördern», erklärt Mediensprecherin Stéphanie Ghinsberg. «Und unsere Kunden dazu anregen, Strom dann zu verbrauchen, wenn er am besten verfügbar und am günstigsten ist.»
Solar-Boom macht Strom tagsüber billiger
Denn der Ausbau bei der Photovoltaik schreitet stetig voran. Immer mehr Solardächer liefern tagsüber Strom ins öffentliche Netz.
Das hat auch die BKW erkannt und schon vor drei Jahren vorausgesagt: 2025 wird am frühen Nachmittag der Wert der Energie ähnlich tief oder sogar tiefer als in der Nacht sein.

Die Prognose sei im Sommer 2025 tatsächlich sehr ähnlich eingetreten, bestätigt BKW-Sprecher Philipp Mäder auf Anfrage.
In der Nacht liege man zwar etwas höher, dafür zwischen 14 und 15 Uhr leicht tiefer.
BKW bleibt beim Einheitstarif
Trotzdem will die BKW weder am Tag noch in der Nacht den per 2023 abgeschafften Niedertarif wieder einführen.
Zwar sagt auch Mäder: «Unser langfristiges Ziel sind Tarifmodelle, die den Energiewert im Tagesverlauf besser abbilden und Anreize für eine effiziente Netznutzung setzen.»

Das heisst: Statt Hoch- und Niedertarifen will die BKW hin zu feiner abgestimmten Anreizen: So, dass man nicht gerade dann Strom bezieht oder liefert, wenn das alle anderen auch schon tun.
Das können die Stromlieferanten zumindest theoretisch ab nächstem Jahr mit sogenannt dynamischen Tarifen, die auch kurzfristig ändern können.
Beide Energiekonzerne wollen dies prüfen, wichtig sei aber die Akzeptanz bei der Kundschaft.
Gegensätzliche Interpretationen
Die Groupe E setzt den Fokus auf Verfügbarkeit und Preis des Stroms. Die BKW sorgt sich um das Stromnetz als solches.
Denn, so Mäder: «Es gilt zu vermeiden, dass genau zum Zeitpunkt einer Tarifumschaltung neue Lastspitzen entstehen.»
Zum Beispiel durch Hunderte automatisch einschaltender Elektroladestationen genau dann, wenn ein Niedertarif-Fenster beginnt.

Au contraire, heisst es bei der Groupe E: Die Verschiebung der Niedertarif-Zeiten ziele darauf ab, den Verbrauch gleichmässiger über den Tag zu verteilen.
Mehrere Faktoren würden das Risiko einer Überlastung des Netzes begrenzen. Unter anderem, dass die Kunden mehr Flexibilität hätten und das Ladeverhalten je nach Nutzung des E-Autos variiere.
Der nächtliche Niedertarif soll, statt wie bisher um 21 Uhr, neu erst um 23 beginnen. So reduziere man auch die abendliche Verbrauchsspitze von Haushalten.
Während die Groupe E auch mittelfristig an Niedertarifen festhalten will, will die BKW gleichermassen auch in Zukunft darauf verzichten.
Haben beide recht?
Die BKW verweist für ihre Überlegungen auf eine Studie aus Deutschland, die die Problematik der gleichzeitig ladenden E-Autos angeschaut hat.
Denn die Ladestationen dürften in einem Privathaushalt bei weitem den meisten Strom in kurzer Zeit aus der Steckdose saugen: Mehr als etwa ein Geschirrspüler oder ein Wäschetrockner.

In der Studie werden verschiedene Szenarien durchgespielt, es wird aber auch aufgezeigt, dass es sehr viele Variablen gibt.
Nicht jeder Pendler lädt sein E-Auto jeden Abend sofort bei der Ankunft zu Hause. Die kalkulierende Pendlerin lädt vielleicht nur einmal pro Woche – je nach Wegstrecke.
Fachleute empfehlen zudem, das E-Auto nicht abends, sondern frühmorgens zu laden: Mit warmer Batterie fahre man deutlich effizienter zur Arbeit, insbesondere in der kalten Jahreszeit.
Bei finanziellen Anreizen zu gewissen Zeiten zeigen sich in den Simulationen zwar Unterschiede, aber in beide Richtungen.
Wie sich die Kundinnen und Kunden von BKW und Groupe E verhalten werden, müsste sich also erst noch zeigen.








