Im Interview äussert sich Michael Ruefer (GFL) zum Farbsack-Trennsystem der Stadt Bern und kündet an, dass die GFL einen Abbruch der Übung unterstützt.
Abfallsack-Sortieranlage Farbsack-Trennsystem Bern
Eine Abfallsack-Sortieranlage beim Start des Pilotversuchs des Farbsack-Trennsystems. (Archivbild) - keystone

Das Wichtigste in Kürze

  • Das Farbsack-Trennsystem in Bern muss überarbeitet werden.
  • Verschiedene Fraktionen im Berner Stadtrat fordern sogar einen «sofortigen Übungsabbruch».
  • Auch Michael Ruefer (GFL) bevorzugt einen Abbruch, um unnötigen Aufwand zu vermeiden.
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Eine Motion im Berner Stadtrat fordert den sofortigen Übungsabbruch des Farbsack-Trennsystems. Die Stadt kündigte bereits an, beim Entsorgungssystem nochmals über die Bücher zu gehen.

Laura Binz (SP) und Ursula Stöckli (FDP) haben mit Nau.ch bereits über das Thema gesprochen. Die SP möchte an einer teilweisen Containerpflicht festhalten, die FDP will auf innovative Ansätze setzen. Nun äussert sich Michael Ruefer (GFL) und sagt, dass die GFL-Fraktion ebenfalls einen Abbruch des Projekts fordert.

Nau.ch: Stimmen Sie der Forderung der Motion zu, dass das Farbsack-Trennsystem abgebrochen werden soll?

Michael Ruefer: Wir haben in der GFL-Fraktion intensiv darüber diskutiert, wie wir uns zu den Problemen stellen, die im Zusammenhang mit der Umsetzung des Farbsack-Trennsystems aufgetaucht sind, vor allem mit der Suche nach Container-Standorten. Wir anerkennen, dass es weiterhin einen besseren Gesundheitsschutz der Mitarbeitenden von Entsorgung und Recycling der Stadt Bern braucht.

Michael Ruefer GFL
Michael Ruefer ist Stadtrat für die Grüne Freie Liste in Bern. - zVg

Offensichtlich ist aber die Containerpflicht nicht geeignet, um dieses Ziel zu erreichen. Deshalb benötigen wir einen Neustart bei der Suche nach einem besseren System. Die GFL fordert also den Abbruch.

«Ehrlicher zu sagen: Sorry, wir haben uns verkalkuliert»

Nau.ch: Das Stimmvolk hat der Einführung eines Farbsack-Trennsystems 2021 zugestimmt. Wäre der komplette Übungsabbruch eine Missachtung des Volkswillens?

Ruefer: Das Farbsack-Trennsystem wurde bereits in der Vernehmlassung und vor der Volksabstimmung durchaus kontrovers diskutiert. Auch die GFL war von Anbeginn kritisch und die Ja-Parole zum Farbsack-Trennsystem wurde an der Mitgliederversammlung relativ knapp gefasst.

Es liegt in der Natur der Sache, dass ein Wille nicht befolgt werden kann, wenn ein Projekt sich als nicht umsetzbar erweist. Hier ist es ehrlicher zu sagen: Sorry, wir haben uns verkalkuliert.

«An der Standortsuche der Container beisst man sich derzeit die Zähne aus»

Nau.ch: Klar ist: Das Projekt wird nicht wie ursprünglich geplant umgesetzt werden können. Ein sofortiger Abbruch sei aus Kostengründen nicht sinnvoll, heisst es vonseiten des Gemeinderates. Sehen Sie Lösungsmöglichkeiten, um das Projekt ähnlich umsetzen zu können?

Ruefer: Nein, es besteht tatsächlich das grosse Risiko, dass noch viel Projektierungsaufwand in eine Lösungssuche gesteckt wird, bei der sich schon seit einiger Zeit unüberwindbare Probleme zeigen. An der Standortsuche der Container beisst man sich derzeit tatsächlich die Zähne aus, eine Lösung scheint nicht in Sicht. Besser man besinnt sich nochmals darauf, was man nun wirklich verändern will – Gesundheitsschutz des Personals und geringere Belastung der Sammelstellen –, und nimmt dann einen neuen Anlauf.

Gebührensäcke Hauskehricht
Blaue Gebührensäcke mit Hauskehricht in Bern. (Archivbild) - keystone

Mit dem Farbsack-Trennsystem hat man versucht, zu viele Probleme auf einmal zu adressieren. Man wollte auch ein ökologischeres Abfallsystem mit möglichst kurzen Wegen, man wollte Papierentsorgung zu Hause und Farbsäcke für die weitere Abfalltrennung von PET, Kunststoff, Glas und Dosen/Alu/Metall. Da dies nicht für obligatorisch erklärt wurde, hätte parallel das bisherige System mit den Sammelstellen weiter bestanden.

«Vielleicht braucht es so was wie Microhubs»

Nau.ch: Das Aufsammeln der Abfallsäcke und Papierbündel beim bestehenden Modell führe zu körperlichen Überlastungen der städtischen Mitarbeitenden, argumentiert der Gemeinderat. Wie könnten diese besser vor körperlichen Überbelastungen geschützt werden?

Ruefer: Vielleicht braucht es so was wie Microhubs statt eines Containers pro Hauseingang – nur für die blauen Abfallsäcke. Dort werden diese eingeworfen und dann maschinell entsorgt. Bei den meisten Überbauungen gibt es ja heute schon kleine Sammelstellen, bei kleineren Wohneinheiten und Reihenhäusern braucht es eine gepoolte Lösung.

Sammelstelle Bern
Eine Sammelstelle mit Sammelsäulen in Bern. - Stadt Bern

Bei einem Neuanlauf sollte man meines Erachtens erst mal ganz auf den Gesundheitsschutz fokussieren. Die Belastung der Sammelstellen muss separat betrachtet werden. Vielleicht braucht es zur Steuerung von Separatabfällen auch neue Gebühren, wenn man die Belastung der Sammelstellen nicht in den Griff bekommt.

Soll das neue Abfallsack-Trennsystem der Stadt Bern abgeschafft werden?

Nau.ch: Hätte ein Übungsabbruch zur Folge, dass das bestehende Entsorgungssystem beibehalten wird – oder schwebt Ihnen eine andere Lösung vor?

Ruefer: Offensichtlich braucht es Anpassungen am bisherigen System. Wenn keine Probleme bestünden, wäre das Farbsack-Trennsystem beziehungsweise die Containerpflicht nie beschlossen worden. Wer behauptet, die heutige Abfallentsorgung könne locker beibehalten werden, soll gerne mal eine Schicht bei der Entsorgung absolvieren.

Zur Person: Michael Ruefer (37) sitzt für die Grüne Freie Liste im Berner Stadtrat. Er ist Vorstandsmitglied des VCS Region Bern-Mittelland sowie Fachspezialist bei der BLS Cargo und wohnt in Bern.

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