In einem Berner Altersheim wurden Pflegehilfskräfte über Nacht alleine gelassen. Das ist zulässig – dass sie aber Medikamente wie Morphin verabreichten, nicht.
Pflege Altersheim Morphin
In einem Berner Altersheim sollen gemäss «Rundschau»-Beitrag Pflegehilfskräfte den Bewohnenden Morphinspritzen verabreicht haben. Das kann gefährlich sein, sagt der Pflegeberufsverband SBK. (Symbolbild) - Keystone
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Das Wichtigste in Kürze

  • In Bümpliz BE sollen Pflegehilfskräfte alleine gearbeitet und Patienten gepflegt haben.
  • Sie sollen den Heimbewohnenden sogar Morphin gespritzt haben, obwohl sie das nicht dürfen.
  • Nationalrätin Flavia Wasserfallen (BE) will die Pflegeinitiative schnell umgesetzt sehen.

Pflegehilfskräfte arbeiten alleine während der Nachtschicht in einem Altersheim in Bümpliz BE. Das ist im Kanton Bern erlaubt, solange eine Pflegefachkraft Pikettdienst hat, falls es professionelle Hilfe braucht. Erlaubt ist aber nicht, was die SRF-«Rundschau» aufgedeckt hat.

Pflege Altersheim Medikamente
Ein Pflegefachmann verteilt den Bewohnenden eines Altersheim Medikamente. (Symbolbild) - Keystone

Die Hilfskräfte sollen gemäss Aussagen von ehemaligen Mitarbeitenden den Heimbewohnenden Medikamente gegen Schmerzen verabreicht und sogar Morphin gespritzt haben. Die Spritzen mit Morphin seien im Kühlschrank bereit gewesen, sagt eine Pflegehilfskraft, die im besagten Heim gearbeitet hat. «Die durfte man nehmen, und wie gesagt, spritzen.»

Eine andere Person bestätigt das: Die Spritzen seien sogar mit dem Namen der jeweiligen Bewohner angeschrieben gewesen. Man habe «nach Bedarf» Morphin verabreichen können.

Pflegeverband schockiert: «Es kann die Patienten gefährden»

Christine Bally vom Pflegeberufsverband SBK bezeichnet die Ereignisse als schockierend und «eine ganz klare Kompetenzüberschreitung». Pflegehilfskräfte dürfen gemäss Richtlinien nur die Temperatur von Patienten messen. Oder Kompressen anlegen und entfernen. Gemäss Bally ist es sogar gefährlich, wenn nicht ausgebildete Personen Medikamente verabreichen oder gar spritzen.

Bally Pflege Bildung
Christine Bally ist Leiterin der Abteilung Bildung beim Pflegeberufsverband SBK. - Screenshot SRF

Die Gesundheits-, Sozial- und Integrationsdirektion (GSI) des Kantons Bern nimmt im Beitrag Stellung. Man habe schon 2021 telefonisch von solchen Ereignissen gehört, sagt Sprecher Gundekar Giebel. Die kantonale Behörde habe geantwortet, sie benötige eine schriftliche Bestätigung, die sie nie erhalten habe. Dementsprechend sei der Sache nicht nachgegangen worden.

SP-Politikerin hofft auf Pflegeinitiative

«Aufgrund der zusätzlichen Informationen werden wir dem noch einmal nachgehen», sagt Giebel noch. Das erwartet auch Flavia Wasserfallen. Die Berner Nationalrätin ist auch Präsidentin des Dachverbands schweizerischer Patientenstellen. Aus Sicht der Patientensicherheit sei eine Untersuchung durch die GSI «unabdingbar», sagt sie.

Wasserfallen Berset Nationalrat
Flavia Wasserfallen (SP/BE) diskutiert mit Bundesrat Alain Berset (SP) während der Herbstsession 2022 im Nationalratssaal. - Keystone

Für die SP-Politikerin zeigt der Beitrag, «wie dringend die Umsetzung der Pflegeinitiative ist»: «Genügend gut qualifiziertes und adäquat eingesetztes Pflegepersonal ist ein zentrales Element zur Sicherung der Qualität in der Pflege.»

Die Pflegeinitiative ist zur Hälfte umgesetzt. Letztes Jahr haben Bund und Parlament die Ausbildungsoffensive verabschiedet; diese Woche hat Bundesrat Alain Berset Lösungen für die zweite Etappe, die Verbesserung der Arbeitsbedingungen, vorgestellt. «Diese muss dringend und verbindlich umgesetzt werden», fordert Gesundheitspolitikerin Wasserfallen.

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