Die Qualität der Pflege nimmt bei jedem fünften Altersheim rapide ab. Die Untersuchung der «SonntagsZeitung» von gut eineinhalbtausend Heimen zeigt, dass qualifiziertes Pflegepersonal durch Hilfskräfte ersetzt wird.
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Das Pflegepersonal ist – hier noch vor Corona – im Dauerstress. (Archivbild) - Keystone
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Das Wichtigste in Kürze

  • Die Qualität der Alters- und Pflegeheime in der Schweiz hat zwischen 2012 und 2016 abgenommen.
  • In jedem fünften Pflegeheim wurde qualifiziertes Pflegepersonal durch Hilfskräfte ersetzt.
  • In der Waadt ist eine Pflegeperson für viereinhalb Patienten zuständig.

In einem von fünf Schweizer Altersheimen nahm die Qualität der Pflege in den letzten Jahren ab. Das ergibt eine Auswertung der «SonntagsZeitung». Sie untersuchte nach eigenen Angaben alle 1552 Altersheime der Schweiz anhand von Daten des Bundesamtes für Gesundheit zwischen 2012 bis 2016.

Qualifizierte Angestellte durch Hilfskräfte ersetzt

Bei 299 aller Alters- und Pflegeheime nahm die Qualität der Pflege ab. Über 100 der untersuchten Heime haben in den letzten fünf Jahren ihren Anteil an Fachpersonal – also diplomierte und zertifizierte Pflegende – pro Heimplatz um bis die Hälfte abgebaut.

Eine Pflegefachperson betreut heute in der Schweiz durchschnittlich drei Patienten. Das Betreuungsverhältnis variiert jedoch zwischen den Kantonen: In Kantonen Jura und Tessin kommt ein Pfleger auf zwei Bewohnerinnen – in der Waadt eine Pflegende auf vier Bewohner, in Glarus gar eine auf viereinhalb.

In den Pflegeheimen herrscht zunehmend das Recht des Stärkeren.
In den Pflegeheimen herrscht zunehmend das Recht des Stärkeren. - Keystone

Spitzenreiter im kantonalen Vergleich bezüglich des Abbaus ist Bern. 72 Heime bauten hier seit 2012 qualifiziertes Personal ab. In der Waadt waren es 47 Heime, in St. Gallen 24 und im Aargau 17. Schweizweit sind 11'000 Stellen im Pflegebereich vakant.

Pflegende klagen nach dem Abbau, dass ihre Arbeit sehr stressig sei. Denn die Zahl der Pflegenden und ihre Ansprüche haben nicht abgenommen. Bei den Patienten und Bewohnern regiert vermehrt das Gesetz des Stärkeren. Schwache kommen zu kurz, weil sie die benötigte Hilfe gegenüber den noch rüstigeren Patienten weniger einfordern können.

Dringender Handlungsbedarf

Für Daniel Höchli, Direktor des Dachverbandes der Heime Curaviva, gibt es dringenden Handlungsbedarf für die Politik. Denn er sieht die Versorgungssicherheit gefährdet. Viele der gut 1500 Schweizer Altersheime stünden finanziell unter Druck und können daher nötige Investitionen nicht tätigen, die für den Wandel nötig wären.

Curaviva
Daniel Höchli, Direktor von Curaviva, dem Verband der Heime in der Schweiz. - Keystone

In den schweizweit 1552 Alters- und Pflegeheimen leben rund 153'000 Personen. In den letzten vier Jahren stieg diese Zahl um 10'000 an. Bis ins Jahr 2045 werden 10 Prozent der Schweizer Bevölkerung über 80 Jahre alt sein, also doppelt so viele wie heute (880'000 statt 400'000).

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