Berns Grosser Rat gegen höhere Gemeinde-Bussen im Sozialhilfegesetz
Das Berner Kantonsparlament hat am Donnerstag über Sanktionsmöglichkeiten im Rahmen der Revision des Sozialhilfegesetzes debattiert.

Der Kanton soll fehlbare Gemeinden bestrafen können – aber nicht so hoch wie gewünscht. Einen Antrag der zuständigen Kommission, säumige Gemeinden künftig mit bis zu 100'000 Franken zu büssen, lehnte der Rat knapp mit 79 zu 70 stimmen bei einer Enthaltung ab. Der Kanton kann fehlbare Gemeinden somit künftig wie ursprünglich vorgesehen mit maximal 20'000 Franken büssen.
«Wir würden als Kantonsparlament an die Gemeinden das Zeichen geben, dass wir ihrer Arbeit und ihren Sozialdiensten nicht trauen», sagte Stefan Bänz Müller (SP), Gemeindepräsident von Wohlen. Er erhielt ungewohnte Unterstützung aus der SVP: «Das hätte nichts mehr mit einer Partnerschaft zu tun», befand Daniel Bichsel, Gemeindepräsident von Zollikofen. Die Sozialhilfe sei schliesslich eine Verbundaufgabe von Kanton und Gemeinden. Höhere Bussen wären «nicht vertrauensbildend».
Zu reden gab auch die Fachstelle Sozialrevisorat (Fasr), die der Kanton neu schaffen will – in den Augen der Ratslinken vorwiegend ein Überwachungs- und Sanktionsinstrument. Die Befürwortenden argumentierten hingegen, dass der Kanton fehlbare Gemeinden sanktionieren können müsse.
Die Gesundheits- und Sozialdirektion schaffe sich mit der Fasr ein äusserst mächtiges Instrument, sagte Seraina Patzen (Grüne) im Namen der Kommissionsminderheit. «Das hat nichts mit Arbeit auf Augenhöhe zu tun. Der Kanton wird damit seine Linie gegenüber der Gemeinden durchsetzen können.»
Die Fasr sei einer der wichtigsten Aspekte im neuen Gesetz, entgegnete Mehrheitssprecherin Melanie Gasser (GLP). «Sie wird den gesetzesmässigen Vollzug der Sozialhilfe überprüfen.» Dabei gehe es aber nicht nur um die Kosten, sonder auch um die Rechte der Betroffenen. So werde die Fasr etwa helfen, «wirksame Hilfsprozesse» zu schaffen. «Wenn wir der Fasr aber die Sanktionsmöglichkeiten nehmen, nehmen wir ihr die Beisszähne.»
Kantonsparlament debattierte über sogenannte Sozialdedektive
Bestrebungen der Ratslinken, die Sanktionsmöglichkeiten der Fasr einzuschränken, blieben im Rat denn auch chancenlos.
Das Kantonsparlament debattierte ebenfalls über sogenannte Sozialdedektive. Auch dort fruchteten die Bestrebungen der Ratslinken nicht. Sie wollten die Sozialinspektionen einschränken, unter anderem dadurch, dass es künftig für jede solche Inspektion die Zustimmung der Sozialbehörde braucht.
Man war sich im Rat zwar relativ einig, dass solche Inspektionen starke Eingriffe in die Grundrechte von Betroffenen sind. Die Befürwortenden dieser Massnahmen hingegen vertrauten aber darauf, dass solche Inspektionen zurückhaltend eingesetzt werden. Zudem erhärte sich in den wenigen Fällen, in denen Sozialhilfebeziehende genauer überwacht würden, der Verdacht meistens, sagte Mehrheitssprecherin Gasser (GLP).
Sämtliche Versuche, diese Sozialinspektionen einzuschränken, blieben ohne Erfolg.
Die Beratung des Sozialhilfegesetzes wird am Montag fortgesetzt. Dannzumal dürfte es auch um das Selbstbehaltsmodell gehen. Es sieht künftig einen Selbstbehalt für die Gemeinden vor und soll sie zu Kostensenkungen motivieren. Je nach Erfolg sollen Gemeinden mehr oder weniger Geld zurückerhalten.
Das sei für die SP eine rote Linie, hatte Sprecherin Samantha Dunning bereits zu Beginn der Debatte gesagt. Das Modell sei nicht nur gefährlich, sondern auch «komplex und ungerecht». Werde das Modell ins Gesetz aufgenommen, werde die SP zusammen mit ihren Partnern einen Volksvorschlag ausarbeiten.