Als höchste Bernerin will Edith Siegenthaler ein Ohr für alle haben
Die SP-Grossrätin Edith Siegenthaler steht vor der Wahl zur Grossratspräsidentin und verspricht Neutralität.

Die SP-Grossrätin Edith Siegenthaler wird nächste Woche aller Voraussicht nach zur Grossratspräsidentin gewählt. Sie wird sich aus den Debatten raushalten müssen – und will ein offenes Ohr für alle haben.
Den Ratsbetrieb mitgestalten, Klarheit in die Debatten bringen und dafür sorgen, dass die Session reibungslos verläuft: Spricht Edith Siegenthaler über ihre bevorstehende Aufgabe als Grossratspräsidentin, gerät sie ins Schwärmen. «Es ist eine sehr schöne Aufgabe», sagt sie im Gespräch mit der Nachrichtenagentur Keystone-SDA.
Wenn alles nach Plan läuft, wird die 42-Jährige am nächsten Montag vom Kantonsparlament zur «höchsten Bernerin» gewählt. Diese Wahl ist in der Regel eine reine Formsache. Als Grossratspräsidentin wird Siegenthaler das Berner Kantonsparlament ein Jahr lang leiten.
Von politischen Debatten zurückziehen
Das Amt der Ratspräsidentin zu bekleiden bedeutet aber auch, sich aus den politischen Debatten rauszuhalten. Sie werde sich neutral verhalten, sagt Siegenthaler. «Ich werde für alle Fraktionen ein offenes Ohr haben». Als höchste Bernerin warten zusätzliche Verpflichtungen auf Siegenthaler.
Sie wird zahlreiche Empfänge und Anlässe mit Repräsentationscharakter besuchen. «Ich werde Orte besuchen und Menschen begegnen, die ich sonst kaum kennengelernt hätte». Darauf freue sie sich sehr.

Um den Mehraufwand zu bewältigen, hat die promovierte Historikerin ihr Arbeitspensum bei Travail Suisse von 80 auf 60 Prozent reduziert. Beim Dachverband der Arbeitnehmenden arbeitet sie als Geschäftsleiterin und Leiterin Sozialpolitik. Nebenbei ist sie Präsidentin des Mieterinnen- und Mieterverbands Kanton Bern.
Politische Karriere durch Zufall
Politisiert wurde Siegenthaler im Jahr 2003, als in Bern Zehntausende gegen den bevorstehenden Irak-Krieg demonstrierten. «Ich fühlte mich machtlos und wollte mich engagieren».
Wenige Jahre später trat sie der SP bei und machte bei der Partei ein Praktikum. Während der UBS-Rettung war sie deshalb «am Puls des Geschehens». Da habe sie gesehen, «wie historische Ereignisse von der Politik mitgeprägt werden».
Bereits 2013 wurde Siegenthaler, die aus dem bernischen Rapperswil stammt, Co-Präsidentin der SP Stadt Bern. 2016 kam sie in den Stadtrat, 2021 rückte sie für Béatrice Stucki in den Grossen Rat nach.
Zur höchsten Bernerin gewählt
Sie habe ihre politische Karriere aber nicht geplant, winkt sie ab. «Das ist gar nicht möglich». Es sei vor allem Glückssache, man müsse zum richtigen Zeitpunkt am richtigen Ort sein. Siegenthaler ist das bislang gelungen.
Ab nächstem Montag also wird sie das Kantonsparlament präsidieren. Auf die Frage, wie man für dieses Amt in Frage kommt, entgegnet sie: «Die eigene Fraktion und der Grosse Rat müssen einen tragen».
Sicher ist: Es braucht auch ein gewisses Durchsetzungsvermögen. Siegenthaler verfügt offenbar darüber. Es hat ihr vorerst zum Amt als höchste Bernerin verholfen.