Im Zürcher Gemeinderat ist eine «Rente mit 60 für körperlich hart arbeitende Menschen» Thema. Nau.ch hat mit Postulat-Steller Patrik Maillard gesprochen.
Patrik Maillard AL
Patrik Maillard ist Gemeinderat für die Alternative Liste (AL) und Mitglied der Finanzkommission. - zVg

Das Wichtigste in Kürze

  • Die nächste Sitzung des Stadtzürcher Gemeinderats findet am 28. Februar 2024 statt.
  • Ein Postulat fordert die Einführung von Rentenalter 60 in sogenannten Verschleissjobs.
  • Patrik Maillard (AL) will mit dem Postulat die Attraktivität solcher Berufe steigern.
Ad

Der Zürcher Gemeinderat behandelt am 28. Februar ein Postulat, das das Rentenalter 60 für städtische Angestellte in körperlich belastenden Berufen fordert. Vorgeschlagen wird eine Lösung, ähnlich wie es sie im Bauhauptgewerbe seit 2003 gibt.

Patrik Maillard (AL) hat das Postulat zusammen mit Tanja Maag Sturzenegger (AL) eingereicht. Im Interview erläutert er, weshalb er ein tieferes Rentenalter in Berufen mit hoher körperlicher Belastung fordert.

Nau.ch: Weshalb fordern Sie, dass städtische Angestellte in körperlich belastenden Berufen bereits mit 60 finanziell abgesichert in Rente gehen können?

Patrik Maillard: Wer in einem sogenannten Verschleissjob arbeitet, ist früher mit körperlichen Abnutzungserscheinungen konfrontiert. Bevor diese chronisch und damit irreparabel werden, sollen diese Menschen ohne Sorgen um eine gekürzte Rente mit Würde in den verdienten Ruhestand gehen können.

Verschleissjob
Personen, die in einem «Verschleissjob» arbeiten, sollen mit 60 in Rente gehen können, fordert Patrik Maillard. (Symbolbild) - keystone

«Die Kosten trägt die Allgemeinheit»

Viele Arbeitende in körperlich anstrengenden Berufen um die 60 plus sind heute arbeitslos oder beziehen eine IV-Rente. Die Kosten trägt die Allgemeinheit, die Betroffenen, die ein Leben lang geschuftet haben, haben finanzielle Einbussen bei der Rente und keinerlei Anerkennung für ihre geleistete Arbeit.

Nau.ch: Gibt es konkrete Zahlen, wie viele Personen von solch einer Änderung betroffen wären und welche Kosten dadurch entstehen würden?

Maillard: Es gibt schweizweit meines Wissens keine Kategorisierung von körperlich belastenden Berufen. Tanja Maag und ich wollen mit diesem Postulat, dass der Stadtrat prüft, wie eine solche Frühpensionierung ohne finanzielle Einbussen umsetzbar ist, aber auch welche Arbeiten übermässige körperliche Abnutzung hervorrufen.

Maillard Baugewerbe
Maillard schlägt vor, sich am Modell des Bauhauptgewerbes zu orientieren. (Symbolbild) - keystone

Was die Kosten betrifft, kann man sich am Modell des Bauhauptgewerbes orientieren, das seit über 20 Jahren gut funktioniert und trotz grosser anfänglicher Widerstände auch von Arbeitgeberseite sehr positiv bewertet wird, obwohl die Baufirmen den weitaus grösseren Teil dieser Überbrückungsrente finanzieren.

«Fachkräftemangel ist oft eine Folge unattraktiver Arbeitsbedingungen»

Nau.ch: Könnte eine solche Regelung zu einer Verschärfung des Fachkräftemangels führen, beispielsweise in Pflegeberufen?

Maillard: Fachkräftemangel ist oft eine Folge unattraktiver Arbeitsbedingungen. Wir haben nicht zu wenige Lehrerinnen und Lehrer, sondern zu viele, die diesen Beruf nicht mehr ausüben wollen.

Paar Spazierpark
Ein älteres Paar spaziert in einem Park. (Symbolbild) - keystone

Dasselbe in den Gastrobetrieben oder in der Pflege, um nur ein paar Beispiele zu nennen. Eine Rente mit 60 für körperlich hart arbeitende Menschen würde die Attraktivität steigern und somit meines Erachtens dem Fachkräftemangel entschärfen.

Nau.ch: Wäre bei Annahme eine Ausweitung von «nur» städtischen Angestellten auf sämtliche Angestellten, die in einem körperlich anstrengenden Beruf arbeiten, denkbar?

Maillard: Die Umsetzung dieses Postulates wäre in erster Linie ein Auftrag an die Stadt Zürich als attraktive Arbeitgeberin. Darüber hinaus kann sich im besten Fall eine Signalwirkung entfalten, das Modell könnte auch der Privatwirtschaft als Vorbild dienen, als Anstoss für eine Wertschätzung den Schwerstarbeitenden gegenüber.

Befürworten Sie eine Rente mit 60 für Personen, die einen körperlich harten Beruf ausüben?

Nau.ch: Laut Postulat würden Angestellte in körperlich anstrengenden Berufen das Pensionsalter nur selten bei guter Gesundheit erreichen. Mit welchen politischen Massnahmen können die Arbeitsbedingungen in solchen Berufen verbessert werden?

«Privatisierung ganzer Sparten bringt für Angestellte Nachteile»

Maillard: Wir können auf Gemeindeebene einerseits strukturell handeln, zum Beispiel in der Bereitstellung von bezahlbarer Kinderbetreuung zur besseren Vereinbarkeit von Beruf und Familie. Wir können dafür sorgen, dass der Service public in der öffentlichen Hand bleibt und nicht ausgelagert wird.

Auch die Privatisierung ganzer Sparten – beispielsweise der Reinigung – bringt für Angestellte Nachteile: mehr Druck – weniger Lohn. Andrerseits lässt sich mit Vorstössen wie dem vorliegenden auf Arbeitsbedingungen Einfluss nehmen – zum Beispiel 4-Tage-Woche, verlässliche Dienstplanung, betriebliches Gesundheitsmanagement und so weiter.

Zur Person: Patrik Maillard (58) ist Gemeinderat für die Alternative Liste und Mitglied der Finanzkommission. Früher arbeitete er als Koch, ist seit Mai aber 2023 als Kursleiter DAZ an einer privaten Schule angestellt und wohnt in Zürich.

Ad
Ad

Mehr zum Thema:

Privatisierung