Die indigene Linguistin Elisa Loncón ist zur Vorsitzenden der verfassunggebenden Versammlung in Chile gewählt worden, die am Sonntag ihre Arbeit aufgenommen hat.
Sprachwissenschaftlerin Elisa Loncón
Sprachwissenschaftlerin Elisa Loncón - AFP
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Das Wichtigste in Kürze

  • Vertreterin des indigenen Volkes der Mapuche will «Chile neu gründen».

«Diese Versammlung wird Chile verändern», sagte die Angehörige des indigenen Volkes der Mapuche, die die Bühne in traditioneller Tracht betrat. Sie hatte die Abstimmung im zweiten Wahlgang mit 96 von 155 Stimmen gewonnen.

«Es ist ein Traum unserer Vorfahren und dieser Traum wird wahr: Es ist möglich (...) Chile neu zu gründen», sagte Loncón. Sie werde sich dafür einsetzen, dass die Verfassung der Pluralität des Landes gerecht werde, dass soziale Rechte wie das Recht auf Wasser und die Sorge um die «Mutter Erde» aufgenommen würden.

Die 58-jährige Akademikerin von der Universität Santiago war als eine von 17 indigenen Vertretern in das Gremium gewählt worden, das in den kommenden Monaten eine neue Verfassung ausarbeiten wird. Die Abschaffung der bisherigen Verfassung zählte zu den zentralen Forderungen bei den Massenprotesten ab Oktober 2019. In einem historischen Referendum hatten im Oktober 2020 mehr als drei Viertel der Wahlberechtigten in dem südamerikanischen Land dafür gestimmt, dass es eine neue Verfassung geben soll.

Die Ausarbeitung der neuen Verfassung hatte am Sonntag von Tumulten begleitet begonnen. Die Mitglieder der Versammlung unterbrachen die Sitzung kurzzeitig, weil es vor dem ehemaligen Parlamentsgebäude zu Zusammenstössen zwischen Demonstranten und Polizisten kam. Ein Teil der 155 Delegierten ging auf die Strasse und forderte den Abzug der Spezialkräfte.

Die aktuelle Verfassung stammt aus dem Jahr 1980 und damit noch aus der Zeit des Diktators Augusto Pinochet (1973-90). Sie wird von vielen Chilenen für die tiefe Kluft zwischen Arm und Reich verantwortlich gemacht. Die neue Verfassung muss innerhalb von neun Monaten ausgearbeitet werden, mit einer möglichen Verlängerung um maximal drei Monate. 2022 wird in einem Referendum darüber abgestimmt.

Die 155 Delegierten waren im Mai aus mehr als 1300 Kandidaten gewählt worden. Dabei kamen unabhängige Kandidaten auf rund 40 Prozent der Stimmen. Die traditionellen politischen Parteien erlitten hingegen eine Niederlage. 17 Sitze sind Vertretern der indigenen Bevölkerung vorbehalten. Das Gremium ist zudem paritätisch besetzt - das heisst, es sind ebenso viele Männer wie Frauen vertreten.

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