Der UN-Sicherheitsrat hat sich nach zähem Ringen auf die eingeschränkte Fortsetzung grenzüberschreitender humanitärer Hilfslieferungen für die syrische Bevölkerung geeinigt.
Flüchtlingslager im syrischen Maaret Misrin
Flüchtlingslager im syrischen Maaret Misrin - AFP
Ad

Das Wichtigste in Kürze

  • Humanitäre Lieferungen erfolgen künftig nur noch über einen Grenzübergang.

Er sei erleichtert über die Annahme des deutsch-belgischen Resolutionsentwurfs, teilte Bundesaussenminister Heiko Maas (SPD) am Samstagabend mit. Das Mandat für das Hilfsprogramm, das in der Nacht zum Samstag ausgelaufen war, wurde um ein Jahr verlängert. Die Lieferungen können künftig allerdings nur noch über einen Grenzübergang erfolgen.

«Dass der Sicherheitsrat sich am Ende auf unseren Kompromissvorschlag einigen konnte, ist eine gute Nachricht für Millionen von syrischen Männern, Frauen und Kindern», erklärte Maas. Deutschland habe zusammen mit Belgien «in schwierigen Verhandlungen hart um dieses Ergebnis gerungen», fügte der SPD-Politiker hinzu. «Wir können und wollen nicht verhehlen, dass wir mehr Zugänge für notwendig gehalten hätten.»

Belgien sprach hingegen von einem «neuen traurigen Tag für den Sicherheitsrat und vor allem für das syrische Volk».

Zwölf Ratsmitglieder votierten für den deutsch-belgischen Resolutionsentwurf. Die beiden Veto-Mächte Russland und China sowie die Dominikanische Republik enthielten sich. Vor der Abstimmung am Samstag waren im UN-Sicherheitsrat mehrere Anläufe, das UN-Mandat für die internationalen Hilfslieferungen zu verlängern, am Veto des Syrien-Verbündeten Russland sowie Chinas gescheitert.

Deutschland, das im Juli den Ratsvorsitz hat, und Belgien gaben mit ihrem Kompromissvorschlag schliesslich einer seit Wochen von Russland vorgebrachten Forderung nach, den Grenzübergang Bab al-Salam, der in die nordsyrische Region Aleppo führt, nicht mehr für die Hilfslieferungen zu nutzen. Künftig steht nur noch der Übergang Bab al-Hawa an der Grenze zur Türkei im Nordwesten Syriens für die Transporte zur Verfügung.

Das grenzüberschreitende UN-Hilfsprogramm ermöglicht es, humanitäre Güter ohne Zustimmung der syrischen Regierung in das Land zu bringen. In den ersten Jahren gelangte die humanitäre Hilfe über vier Grenzübergänge aus dem Irak, Jordanien und der Türkei nach Syrien.

Russland setzte jedoch zu Beginn dieses Jahres durch, dass es nur noch zwei Grenzübergänge für die Hilfslieferungen gab und das Programm nur noch um ein halbes Jahr - statt wie bis dahin üblich um ein Jahr - verlängert wurde. Russland und China argumentieren, dass das grenzüberschreitende UN-Hilfsprogramm die Souveränität Syriens verletze, da die Regierung in Damaskus dieses nicht formell genehmigt hat.

Lange hatten die westlichen Staaten die Nutzung von weniger als zwei Grenzübergängen als «rote Linie» bezeichnet. Letztendlich mussten sie sich aber dem Druck Russlands beugen.

Die EU bezeichnete die Schliessung des Grenzübergangs als «zutiefst besorgniserregend». Angesichts des wegen der Corona-Pandemie gewachsenen Hilfebedarfs sei «der unkonstruktive Ansatz bestimmter Mitglieder des Sicherheitsrates umso bedauerlicher», erklärten der EU-Aussenbeauftragte Josep Borrell und der EU-Kommissar für humanitäre Hilfe, Janez Lenarcic, gemeinsam.

Die Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch (HRW) beklagte, Russlands Erfolg im Sicherheitsrat bedeute «eine neue drastische Verringerung der grenzüberschreitenden Hilfe für verzweifelte Syrer, die auf diese Hilfe angewiesen sind». Die Hilfsorganisation Care sprach von einer «dunklen Stunde in der 75-jährigen Geschichte des UN-Sicherheitsrats» und betonte, dass der humanitäre Bedarf im Nordwesten Syriens heute grösser sei denn je.

Der Vorsitzende des Auswärtigen Ausschusses im Bundestag, Norbert Röttgen, bezeichnete die Einigung im UN-Sicherheitsrat als «Scheitern des Westens auf der ganzen Linie». Der CDU-Politiker warnte in der «Welt» (Montagsausgabe) vor den Konsequenzen «der Vertreibung und Tötung von Zivilisten» durch den syrischen Machthaber Baschar al-Assad und den Kreml: «Die Vertriebenen werden über die Türkei Schutz bei uns suchen.»

Der Grüne Bundestagsabgeordnete Omid Nouripour nannte die vorübergehende Lösung «besser als nichts». Allerdings sei das «zynische Vorgehen Moskaus im Sicherheitsrat» auch ein Beleg dafür, «dass der Kreml keinerlei Konsequenzen befürchtet, auch nach zahlreichen Kriegsverbrechen nicht», kritisierte der Grünen-Politiker.

Ad
Ad

Mehr zum Thema:

Heiko MaasSPDAbstimmungAleppoRegierungDamaskusEUHuman Rights watchBaschar al-AssadCDUKremlBundestagGrüne