Der Rückhalt in der brasilianischen Bevölkerung für Präsident Jair Bolsonaro hat einen neuen Tiefpunkt erreicht.
Der 66-jährige Staatschef Jair Bolsonaro
Der 66-jährige Staatschef Jair Bolsonaro - AFP/Archiv

Der Rückhalt in der brasilianischen Bevölkerung für Präsident Jair Bolsonaro hat einen neuen Tiefpunkt erreicht: Laut einer Umfrage des Instituts Datafolha stieg die Unzufriedenheit mit dem rechtsradikalen Staatschef erstmals auf über 50 Prozent.

Zudem sprach sich erstmals eine Mehrheit der Brasilianer für ein Amtsenthebungsverfahren gegen den 66-Jährigen aus. Dieser drohte erneut mit der Absage der Präsidentschaftswahl im kommenden Jahr, sollte seine Forderung nach einer Wahlreform kein Gehör finden.

Laut der am Donnerstagabend veröffentlichten Erhebung gaben 51 Prozent der Befragten an, Bolsonaro mache einen «schlechten» beziehungsweise «schrecklichen Job». In der vorangegangenen Erhebung im Mai hatten 45 Prozent Bolsonaros Amtsführung abgelehnt. Für die jüngste Erhebung wurden am Mittwoch und Donnerstag mehr als 2000 Menschen befragt. Bolsonaros Zustimmungsrate von nur noch 24 Prozent blieb dabei unverändert. Im Dezember 2020 hatte sie mit 37 Prozent einen Höchststand erreicht, seitdem sinkt sie kontinuierlich.

Laut einer am Samstag veröffentlichten weiteren Umfrage von Datafolha wünschten sich 54 Prozent der Befragten, dass der Präsident der Abgeordnetenkammer auf einen der mehr als 120 bisher eingereichten Amtsenthebungsanträge reagiert. Dies gilt jedoch als unwahrscheinlich, da Parlamentspräsident Arthur Lira ein Verbündeter Bolsonaros ist.

Bolsonaro wird vorgeworfen, die Corona-Pandemie im Land massiv verschlimmert zu haben, indem er die Gefahren des Virus immer wieder herunterspielte und den Nutzen von Corona-Impfungen in Frage stellte. Hinzu kommen massive Korruptionsvorwürfe im Zusammenhang mit der Pandemie, mit denen sich neben der Staatsanwaltschaft derzeit auch ein parlamentarischer Untersuchungsausschuss befasst.

Der Präsident gab sich unbeeindruckt von den Untersuchungen. In einer Videobotschaft sagte er am Donnerstag wörtlich: «Ich scheiss' auf den Untersuchungsausschuss». Die Opposition dringt auf die Einleitung eines Amtsenthebungsverfahrens.

Bei der Präsidentschaftswahl käme Bolsonaro derzeitigen Umfragen zufolge auf 25 Prozent, sein Hauptrivale Luiz Inácio Lula da Silva auf 46 Prozent. In einer Stichwahl würde der Amtsinhaber laut der Datafolha-Erhebung mit 31 zu 58 Prozent gegen den linksgerichteten Ex-Präsidenten verlieren.

Am Freitag stellte Bolsonaro erneut die Abhaltung der Präsidentschaftswahl im kommenden Jahr in Frage. Sollte es beim rein elektronischen Wahlsystem bleiben, «laufen wir Gefahr, dass wir im nächsten Jahr keine Wahlen haben», sagte Bolsonaro seinen Anhängern vor seiner Residenz in der Hauptstadt Brasília.

«Ich habe keine Angst vor Wahlen. Ich werde die (Präsidentschafts-)Schärpe demjenigen geben, der nach einer überprüfbaren und vertrauenswürdigen Abstimmung gewinnt», sagte Bolsonaro weiter. Er bezeichnete gleichzeitig den Präsidenten des Obersten Wahlgerichts, Luis Roberto Barroso, als «Schwachkopf», weil er sich gegen gedruckte Stimmzettel ausgesprochen hatte.

Bolsonaro dringt darauf, dass der Kongress zusätzlich zu der seit 1996 bestehenden elektronischen Stimmabgabe auch die Verwendung von gedruckten Stimmzetteln zulässt. Schon bei den vergangenen Wahlen hatte er Manipulationen angeprangert, ohne jedoch Beweise dafür vorzulegen.

Bereits am Donnerstag hatte Bolsonaro mit der Absage der Wahl gedroht, sollte er seinen Willen nicht bekommen: «Entweder wir machen saubere Wahlen in Brasilien, oder es wird keine Wahlen geben.»

Barroso, der auch einer der elf Richter des Obersten Gerichtshofs ist, bezeichnete die Äusserungen als «bedauerlich». Jeder Versuch, die rechtzeitige Abhaltung von Wahlen zu verhindern, verstosse «gegen verfassungsrechtliche Prinzipien», warnte er und betonte, seit der Einführung der elektronischen Stimmabgabe sei «kein einziger Fall von Wahlbetrug dokumentiert» worden.

Senatspräsident Rodrigo Pacheco warnte auf einer Pressekonferenz, dass «jeder, der den demokratischen Rechtsstaat zurückzudrängen versucht, vom Volk und von der Geschichte als Feind der Nation gebrandmarkt» werde.

Am Samstag gaben acht Parteien der Mitte und der Rechten eine gemeinsame Erklärung zur Unterstützung des aktuellen Wahlsystems ab.

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