Ruf nach Bagatellgrenze für Hartz-IV-Rückforderungen
Wenn das Jobcenter Hartz-IV-Empfängern versehentlich zu viel Geld überweist, muss es selbst kleinste Beträge zurückfordern - das verursacht Verwaltungskosten in Millionenhöhe.

Das Wichtigste in Kürze
- Laut BA Verwaltungskosten weit höher als Ertrag - Bundesregierung zurückhaltend.
Der Vorstandsvorsitzende der Bundesagentur für Arbeit (BA), Detlef Scheele, fordert daher die Einführung einer Bagatellgrenze. Aus der SPD-Fraktion kam Unterstützung, die Bundesregierung äusserte sich aber zurückhaltend zu dem Vorschlag.
Insgesamt wurden 2018 von den Jobcentern 18 Millionen Euro an Kleinbeträgen bis 50 Euro zurückgefordert, wie die «Süddeutsche Zeitung» am Mittwoch unter Berufung auf BA-Zahlen berichtete. Dies habe allerdings Verwaltungskosten in Höhe von 60 Millionen Euro verursacht. Je kleiner der Betrag, desto grösser war demnach das Missverhältnis: Forderungen bis 20 Euro hätten 4,6 Millionen Euro eingebracht, aber 40,6 Millionen Euro an Verwaltungsaufwand bedeutet.
«Hartz IV verwaltet sich selbst und verliert sich in Kleinigkeiten», sagte der Bundestagsabgeordnete Kai Whittaker (CDU), der die Zahlen angefordert hatte, der «Süddeutschen Zeitung». Es gehe nicht mehr um Menschen, sondern um Bürokratie. BA-Chef Scheele sagte der Zeitung, seine Behörde wünsche sich «seit Jahren die Einführung einer Bagatellgrenze». Der jetzige Aufwand stehe «in keinem Verhältnis zum Ertrag».
SPD-Fraktionsvize Katja Mast unterstützte Scheeles Forderung. «Der Vorschlag einer Bagatellgrenze scheint eine adäquate Lösung zu sei», erklärte sie in Berlin. «Wir wollen Menschen schnell in Arbeit bringen und nicht verwalten.»
Eine Sprecherin des Bundesarbeitsministeriums sagte in Berlin, die Diskussion über eine Bagatellgrenze sei nicht neu. Eine solche Grenze würde allerdings den Verwaltungsaufwand «nur teilweise» beseitigen, denn die fraglichen Beträge müssten weiterhin intern verbucht und überprüft werden. Das Ministerium befinde sich in Gesprächen mit der BA, um «Alternativen» zu prüfen, sagte die Sprecherin.
Die Linken-Vorsitzende Katja Kipping urteilte, die Eintreibung der Kleinbeträge habe «nichts mit wirtschaftlicher Vernunft zu tun, aber sehr viel mit Demütigung und Schikane». Bei den Ärmsten werde auf jeden Euro geschaut, während Konzerne «mit Steuertricks im grossen Stil» davon kämen, monierte Kipping.
Auch die Grünen sehen die unwirtschaftlichen Rückforderungen als Teil einer grösseren Problematik. Hier zeige sich die «Schieflage» in den Budgets der Jobcenter, erklärte der sozialpolitische Sprecher der Grünen-Fraktion, Sven Lehmann. «Immer mehr Gelder, die eigentlich für Eingliederungsmassnahmen von Arbeitssuchenden eingesetzt werden sollten, werden für Bürokratieauswüchse ausgegeben.»