Rheinland-pfälzischer Innenminister Lewentz tritt nach Vorwürfen zu Ahr-Flut zurück

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Deutschland,

Nach Vorwürfen im Zusammenhang mit Hubschraubervideos aus der Nacht der Hochwasserkatastrophe im Ahrtal im Juli 2021 ist der rheinland-pfälzische Innenminister Roger Lewentz (SPD) von seinem Amt zurückgetreten.

Roger Lewentz (SPD)
Roger Lewentz (SPD) - AFP/Archiv

Das Wichtigste in Kürze

  • SPD-Politiker zuletzt wegen Hubschraubervideos aus Katastrophennacht unter Druck.

Sie habe seinen Rücktritt angenommen, sagte Ministerpräsidentin Malu Dreyer (SPD) am Mittwoch vor Journalisten in Mainz. Lewentz hatte zuletzt wegen der Videos, auf die er nicht adäquat reagiert haben soll, stark unter Druck gestanden.

Sie bedaure den Rücktritt, sagte Dreyer. Menschlich und fachlich sei er eine grosse Unterstützung im Kabinett gewesen. Lewentz selbst entschuldigte sich für sein Verhalten der vergangenen Wochen. «Sollten meine Antworten auf die mir 14 Monate später gestellten Fragen kalt, gefühllos oder herzlos gewirkt haben, tut mir dieser Eindruck sehr, sehr leid», sagte er. «Es sind sicherlich Fehler gemacht worden, auch in meinem Verantwortungsbereich, aber keine Vertuschung», verteidigte er sich.

Über eine mögliche Nachfolge für Lewentz im Innenministerium wurde zunächst nichts bekannt. Der SPD-Landesverband wies darauf hin, dass Lewentz, der auch Parteichef in Rheinland-Pfalz ist, bis 2023 gewählt sei.

Der Pressetermin von Dreyer und Lewentz wurde am Mittwoch kurzfristig angekündigt. Für den Nachmittag war auf Antrag der Oppositionsfraktionen von CDU und Freien Wähler im Landtag zunächst ein Sonderplenum über Lewentz' Verantwortung während der Flutkatastrophe geplant. Die Freien Wähler kündigten als Reaktion auf den Rücktritt an, ihren Antrag zurückzuziehen. Die CDU allein hat nicht genug Stimmen für die Einberufung eines Sonderplenums.

Alle drei Oppositionsparteien begrüssten Lewentz' Rücktritt. CDU-Generalsekretär Gordon Schneider nannte den Schritt aber «höchstens halbherzig». Er sprach von einem «Rücktritt ohne Rückgrat». Freie-Wähler-Fraktionschef Joachim Streit erklärte, die Entscheidung sei «geboten und konsequent». Die AfD teilte mit, der Rücktritt sei nicht Lewentz' Einsicht, sondern dem öffentlichen Druck geschuldet.

Im Untersuchungsausschuss des Landtags zur Flut waren im September Videos aus einem Polizeihubschrauber aufgetaucht, die am Abend vom 14. Juli und am frühen Morgen vom 15. Juli 2021 aufgenommen worden waren. Darin zu sehen waren unter anderem Menschen, die mit Taschenlampen SOS-Signale an den Hubschrauber sandten.

Die Videos wurden dem Untersuchungsausschuss Ende September in einer nicht öffentlichen Sitzung gezeigt. Lewentz geriet dadurch unter Druck, weil nicht klar war, wann er von den Ausmassen der Katastrophe gewusst hatte. Seinen Aussagen nach Bekanntwerden der Videos zufolge will er in der Nacht nur von einzelnen Ereignissen erfahren haben.

Die Videos, Bilder und Schilderungen der Hubschrauberbesatzung sollen laut seinem Ministerium in eine Lagebewertung eingeflossen sein. Der schriftliche Einsatzbericht sei noch in der Flutnacht im Lagezentrum im Ministerium eingegangen. Lewentz selbst habe er allerdings nicht vorgelegen.

Laut Innenministerium wurde dem Untersuchungsausschuss im Februar 2022 ein Einsatztagebuch der Hubschrauberstaffel übermittelt. Beim ersten Aktenbezug habe der Untersuchungsausschuss wegen der Masse an Daten darauf verzichtet, Videomaterial anzufordern. Er sei aber über vorhandene Daten informiert worden.

Am 28. Oktober 2021 sei eine Liste mit dem Hinweis auf die Videos der Hubschrauberstaffel an den Ausschuss geschickt worden. Diese habe das Gremium im Februar 2022 angefordert. Durch ein Missverständnis wurden die bei der Hubschrauberstaffel gespeicherten Videos dem Innenministerium zufolge aber nicht abgeholt. Dadurch sei es zu einer verspäteten Übermittlung gekommen.

Auch die Staatsanwaltschaft Koblenz hatte nach eigenen Angaben zuvor keine Kenntnis von den Videos. Sie ermittelt seit August 2021 gegen den ehemaligen Landrat des Landkreises Ahrweiler, Jürgen Pföhler (CDU), und ein weiteres Mitglied des Krisenstabs wegen des Anfangsverdachts der fahrlässigen Tötung im Amt durch Unterlassen.

Starke Regenfälle hatten Mitte Juli 2021 katastrophale Überschwemmungen an Flüssen in Rheinland-Pfalz und Nordrhein-Westfalen ausgelöst. Viele Gemeinden, insbesondere im Ahrtal, wurden verwüstet. In Rheinland-Pfalz kamen im Zusammenhang mit dem Hochwasser 134 Menschen ums Leben. In Nordrhein-Westfalen gab es 48 Tote. Der rheinland-pfälzische Untersuchungsausschuss arbeitet seit Oktober 2021.

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