Kritik an fehlenden Zahlen in neuem Regierungsentwurf für Klimaschutzprogramm
Der einstweilige Verzicht der Bundesregierung auf Angaben zur Wirksamkeit der von ihr geplanten Klimaschutzmassnahmen stösst auf breite Kritik.

Das Wichtigste in Kürze
- Umweltverband BUND wirft Union und SPD «Luftbuchung» vor.
«Zu wenig Massnahmen, keine messbaren Ziele - das Klimapaket droht zur Luftbuchung zu werden», erklärte der Präsident des Umweltverbands BUND, Hubert Weiger, am Freitag in Berlin. Die Bundesregierung wies die Vorwürfe zurück.
Ursprünglich hatten die einzelnen Ministerien zu jedem Vorschlag auch Zahlen zur erwarteten Reduzierung des CO2-Ausstosses liefern sollen. Das sollte sicherstellen, dass das Paket tatsächlich die Lücke zu den Klimazielen schliesst. In einem früheren Entwurf des Klimaschutzprogramms waren solche Zahlen auch enthalten gewesen. Daran gab es allerdings vor allem im Verkehrssektor Zweifel.
In einem neuen Entwurf für die Langfassung des Programms, der am Freitag der Nachrichtenagentur AFP in Berlin vorlag, fehlen nun fast alle Angaben, wie viel die Massnahmen einzeln und auch in ihrer Gesamtheit zur Minderung des Treibhausgasausstosses beitragen sollen.
Dieser Entwurf wird derzeit zwischen den Ressorts abgestimmt und soll dann vom Kabinett beschlossen werden. Bislang hatte sich die Ministerrunde lediglich mit Eckpunkten des Massnahmenpakets befasst.
Weiger erklärte zu dem neuen Entwurf: "Indem die Bundesregierung die Zahlen zu Einzelmassnahmen streicht, droht der ohnehin enttäuschende Massnahmenkatalog endgültig zur leeren Hülle zu werden." Das Klimapaket der Regierung werde ohne die Informationen zur Minderungswirkung "immer lächerlicher, erklärte die Schüler- und Studentenbewegung Fridays for Future im Internetdienst Twitter.
Der Leiter Politik von Greenpeace, Stefan Krug, wies darauf hin, dass nach Einschätzung von Experten mit dem Programm der Regierung nicht einmal die Hälfte der zum Einhalten der Klimaziele 2030 erforderlichen CO2-Minderung erreicht werde. «Statt peinliche Zahlen einfach verschwinden zu lassen, sollte die Regierung ihren Klima-Fehlstart schnell korrigieren und ein neues Klimapaket vorlegen», forderte Krug gegenüber der Nachrichtenagentur AFP.
Von «peinlichem Chaos bei den Minderungszielen», sprach Grünen-Fraktionschef Anton Hofreiter. Er drängte auch auf einen Abbau umweltschädlicher Subventionen und darauf, den Ausbau erneuerbarer Energien «wieder flott zu machen».
Die Regierung wolle durch ihr Vorgehen eine Überprüfung der von ihr geplanten Massnahmen verhindern, kritisierte Linken-Parteichefin Katja Kipping. Statt auf Wissenschaftler zu vertrauen, habe die Regierung «ein teures und unabgestimmtes Sammelsurium an Einzelmassnahmen zusammengestellt», warf der FDP-Umweltpolitiker Lukas Köhler der Regierung vor.
Das Bundesumweltministerium verteidigte dagegen das Vorgehen. Frühere Abschätzungen seien veraltet gewesen, «fundierte neue Zahlen lassen sich seriös nicht in wenigen Tagen erarbeiten», erklärte ein Sprecher. Vor allem die Wirkung der geplanten CO2-Bepreisung sei bei früheren Schätzwerten noch nicht berücksichtigt.
Sobald das Programm vom Kabinett beschlossen sei, würden «seriöse wissenschaftliche Institutionen» damit beauftragt, die Minderungswirkung neu abzuschätzen, sagte der Sprecher. Dies werde allerdings einige Wochen dauern. Entscheidend seien aber ohnehin letztlich «die Ist-Zahlen», was tatsächlich an CO2-Minderung erreicht werde.
Die grosse Koalition hatte sich am vergangenen Freitag auf Eckpunkte ihres Klimapakets geeinigt. Zahlreiche Wissenschaftler hatten anschliessend erklärt, dass sie die Massnahmen für völlig unzureichend halten. Kritik gab es dabei besonders an dem vorgesehenen niedrigen Einstiegspreis für CO2-Ausstoss in den Sektoren Verkehr und Gebäude von 2021 lediglich zehn Euro pro Tonne.