Israels Ministerpräsident Benjamin Netanjahu hält die Bildung einer neuen Regierungskoalition weiterhin für möglich.
Benjamin Netanjahu bei einer Kabinettssitzung
Benjamin Netanjahu bei einer Kabinettssitzung - POOL/AFP

Das Wichtigste in Kürze

  • Frist für Israels Regierungschef läuft Mittwochabend ab.
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Mit gutem Willen lasse sich eine Lösung finden, sagte er am Sonntag zu Beginn einer Kabinettssitzung angesichts von Spekulationen über eine mögliche Neuwahl. Obwohl sein Likud und dessen Verbündete seit der Wahl Anfang April über eine Mehrheit im Parlament verfügen, ist es Netanjahu bisher nicht gelungen, eine Koalition zu schmieden. Dazu bleibt ihm noch Zeit bis Mittwochabend.

Er glaube nicht, dass eine Neuwahl nötig sei, sagte der Ministerpräsident. Möglich sei allerdings, «dass jemand anderes dies will». Ohne eine Einigung könnte Präsident Reuven Rivlin einen anderen Parlamentarier mit der Regierungsbildung beauftragen.

Der israelische Regierungschef strebt eine Koalition rechter und religiöser Parteien an. Streitpunkt ist dabei die Frage, ob auch streng orthodoxe Juden in Zukunft zum Militärdienst verpflichtet werden. Ein Gesetzentwurf des früheren Verteidigungsministers Avigdor Liebermann von der Partei Israel Beitenu (Unser Haus Israel) sieht das vor. Die streng religiösen Parteien wollen das aber nicht mittragen.

Lieberman hatte im November eine Regierungskrise ausgelöst, als er aus Protest gegen eine Feuerpause mit den Palästinensern im Gazastreifen seinen Rücktritt erklärte. Mit ihm verliess auch seine Partei die Koalition; es kam zu vorgezogenen Neuwahlen.

Um eine Regierungskoalition zu bilden, ist Netanjahu sowohl auf die fünf Sitze von Israel Beitenu als auch auf die 16 Sitze der ultraorthodoxen Parteien angewiesen. Gemeinsam verfügen sie über 65 der 120 Abgeordnetenmandate.

Netanjahu erklärte am späten Sonntagnachmittag im Kurzbotschaftendienst Twitter, er habe einen Vorschlag zur Einigung im Wehrpflicht-Streit ausgearbeitet und treffe sich nun einzeln mit den verschiedenen Parteichefs, um ihn persönlich zu besprechen.

Ein Likud-Sprecher sagte, die Partei habe zugleich «mit den Vorbereitungen begonnen» für den Fall, dass Lieberman weiterhin darauf bestehe, «die Regierung zu stürzen». Eine Entscheidung über eine Auflösung der Knesset sei aber noch nicht gefallen.

Am Samstagabend waren tausende Menschen in Tel Aviv gegen Netanjahu auf die Strasse gegangen. Ihr Protest richtete sich gegen mögliche Absprachen des Regierungschefs mit neuen Koalitionspartnern, die das Justizsystem und damit die Demokratie in dem Land schwächen könnten.

Viele Demonstranten schwenkten israelische Fahnen und trugen Plakate mit Aufschriften, die Netanjahu mit dem türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan verglichen. Erdogan wird von Kritikern vorgeworfen, das politische und das Rechtssystem zu seinen Gunsten zu manipulieren.

Netanjahu drohen in seiner neuen Amtszeit juristische Probleme: Der Generalstaatsanwalt hat angekündigt, Anklage wegen Bestechung, Betrug und Veruntreuung gegen ihn erheben zu wollen. Vor der Anklageerhebung soll Netanjahu bei einer Befragung Gelegenheit erhalten, zu den Vorwürfen Stellung zu nehmen. Diese wurde vor wenigen Tagen auf Anfang Oktober verschoben.

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