Libanons Regierungschef Hariri nach massiven Protesten zurückgetreten
Nach fast zweiwöchigen massiven Protesten ist Libanons Ministerpräsident Saad Hariri mit seiner kompletten Regierung zurückgetreten.

Das Wichtigste in Kürze
- Demonstranten feiern Schritt mit Feuerwerk und Hupkonzerten.
Hariri kündigte den Schritt am Dienstag in einer Fernsehansprache an. Er reagierte damit nach eigenen Angaben auf den Wunsch nach «Veränderung» der Protestierenden. Von den Demonstranten, die den Auftritt live im Fernsehen verfolgten, wurde die Ankündigung mit Jubel aufgenommen.
Seit bald zwei Wochen legt die Protestbewegung das öffentliche Leben im Libanon teilweise lahm. Die Demonstranten fordern eine vollständige Ablösung der Regierung. Politische Zugeständnisse Hariris konnten die Proteste nicht eindämmen.
Darauf reagierte Hariri nun mit seinem Rückzug. «Ich begebe mich in den Baabda-Palast, um dem Präsidenten der Republik den Rücktritt meiner Regierung anzubieten», sagte der Ministerpräsident, der seit 2016 im Amt ist. Er appellierte an seine Landsleute, den «öffentlichen Frieden zu schützen und jegliche Verschlimmerung der wirtschaftlichen Lage zu verhindern».
In Beirut feierten die Demonstranten die Rücktrittsankündigung Hariris. Sie zündeten Feuerwerke, Autos durchquerten die Stadt mit lautem Hupen. Zugleich erneuerten die Demonstranten mit Sprechchören ihre Forderung nach einem Rückzug der gesamten politischen Klasse.
Frankreichs Aussenminister Jean-Yves Le Drian sprach kurz nach der Rücktrittsankündigung Hariris von einer «schweren Krise» im Libanon. Er rief die politisch Verantwortlichen des Mittelmeerstaats dazu auf, alles zu zu tun, um die «Stabilität der Institutionen und die Einheit des Libanon zu garantieren».
Hariri steht einer Koalitionsregierung vor, die auch von der schiitischen Hisbollah-Bewegung mitgetragen wird. Der Unternehmer und Milliardär ist der Sohn des ermordeten Politikers Rafik Hariri und war bereits von 2009 bis 2011 Ministerpräsident.
Im politischen System des Libanon sind die Spitzenposten unter den wichtigsten Religionsgruppen aufgeteilt. So ist der Präsident ein Christ, der Regierungschef ein Sunnit und der Parlamentspräsident ein Schiit.
Die Proteste hatten sich am 17. Oktober an der Ankündigung der Regierung entzündet, WhatsApp-Anrufe zu besteuern. Inzwischen richten sie sich jedoch generell gegen Korruption, Misswirtschaft und die Eliten des Landes, denen es in den 30 Jahren seit Ende des Bürgerkriegs nicht gelungen ist, den Alltag der Menschen zu verbessern.
Am Sonntag hatten sich zehntausende Libanesen an einer 170 Kilometer langen Menschenkette quer durch das Land beteiligt. Rund 100.000 Männer, Frauen und Kinder hielten sich von Tripoli im Norden bis Tyros im Süden an den Händen.
Der libanesische Staat ist hochverschuldet. Zudem kämpft das Land seit Jahren mit einer massiven Müll- und Umweltkrise sowie permanenter Stromknappheit.