Rechtsextremismus war in Portugal lange – länger als anderswo in Europa – kein grosses Thema. Damit ist es spätestens seit der Wahl vom Sonntag vorbei.
Portugal Parlamentswahl Chega
Andre Ventura, Vorsitzender der rechtspopulistischen Partei Chega, spricht zu Anhängern nach der Bekanntgabe der Ergebnisse der portugiesischen Parlamentswahlen in Lissabon, Montag, 11. März 2024. - keystone

Bei der vorgezogenen Parlamentswahl in Portugal haben die regierenden Sozialisten ihre absolute Mehrheit verloren und die Rechtspopulisten der Chega-Partei gewaltige Stimmengewinne erzielt. Nach der Abstimmung vom Sonntag deutete alles darauf hin, dass das konservative Parteienbündnis Demokratische Allianz (AD) die seit gut acht Jahren regierenden Sozialisten (PS) von der Macht verdrängen wird.

Fraglich ist jedoch, in welcher Konstellation – denn eine Koalitionsbildung dürfte angesichts der Mehrheitsverhältnisse sehr schwierig werden. Eine Regierungsbeteiligung der Rechtspopulisten hatten die Grossparteien vor der Wahl ausgeschlossen.

Mit rund 29,5 Prozent lag die AD nach Auszählung von mehr als 99 Prozent der Stimmen zwar nur knapp vor der PS, die demnach auf 28,7 Prozent kam. Allerdings beanspruchte Spitzenkandidat Luís Montenegro (51), ein studierter Jurist, schon in der Nacht zu Montag den Sieg für sich. Der sozialistische Rivale Pedro Nuno Santos räumte seine Niederlage ein und kündigte den Gang in die Opposition an.

Partei erst 2019 gegründet

Die erst 2019 vom früheren Fernseh-Sportkommentator André Ventura gegründete Partei Chega (Es reicht) blieb drittstärkste Kraft, baute ihren Vorsprung vor den kleineren Parteien aber drastisch aus: Sie konnte ihren Stimmenanteil von rund sieben Prozent bei der vorherigen Abstimmung Anfang 2022 mehr als verdoppeln – auf gut 18 Prozent.

In der «Assembleia da República» in Lissabon, die 230 Sitze hat, dürfte sie künftig statt 12 mindestens 48 Abgeordnete stellen, also viermal so viele wie bisher. Die AD kam nach Auszählung fast aller Stimmen auf mindestens 79 Sitze, die PS auf 77.

Manche Kritiker sehen bei Chega – bekanntester Wahlslogan: «Portugal säubern» – die Grenze vom Populismus zum Rechtsextremismus längst überschritten. Ventura und andere Parteivertreter punkteten im Wahlkampf mit Parolen gegen Einwanderer, machten diese für eine angebliche Zunahme der Kriminalität verantwortlich und schimpften über eine «korrupte Oligarchie» der etablierten Parteien.

Portugal galt als «Bollwerk» gegen den Rechtsruck

Dabei hatte Portugal lange europaweit als «Bollwerk» gegen den in vielen Ländern zu beobachtenden Rechtsruck gegolten. Der Vorsitzende der SPD-Abgeordneten im EU-Parlament, Jens Geier, warnte vor einer Zusammenarbeit mit den Rechtspopulisten: Chega sei «eine Ein-Mann-Partei ohne richtiges Programm, die gegen Minderheiten hetzt». Und eine der grössten Gefahren für die Zukunft der EU sei, dass Demokraten ausgewiesenen Demokratiefeinden zur Macht verhelfen.

Nach jetzigem Stand dürfte eine Regierungsbeteiligung von Chega ausgeschlossen sein, wenn den Beteuerungen der Spitzenkandidaten Montenegro und Nuno Santos zu glauben ist. Beide hatten vor der Wahl versichert, sie würden auf keinen Fall mit den Rechtspopulisten über eine Zusammenarbeit verhandeln. In Portugal gibt es – ähnlich wie in Deutschland gegenüber der AfD – weiterhin eine sogenannte Brandmauer nach rechts.

Ebendarum droht dem Land nun aber eine schwierige Regierungsbildung – und womöglich sogar Unregierbarkeit. Denn auch mit Unterstützung kleinerer Parteien wird die AD bestenfalls eine schwache Minderheitsregierung bilden können, die von Staatsoberhaupt Marcelo Rebelo de Sousa und auch vom Parlament abgesegnet werden müsste. Eine «Grosse Koalition» gilt in Portugal als ausgeschlossen. Ähnlich wie im Nachbarland Spanien trennen die beiden Hauptparteien faktisch unüberwindbare Differenzen. Nicht wenige Beobachter gehen vor diesem Hintergrund von baldigen Neuwahlen aus.

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