Die Wiederaufnahme von Strafverfahren nach einem Freispruch soll vom Bundesverfassungsgericht ausführlich geprüft werden.
Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe
Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe - AFP/Archiv
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Das Wichtigste in Kürze

  • Anlass ist Verfassungsbeschwerde von Verdächtigem in 42 Jahre altem Mordfall.

Wie das Gericht am Mittwoch in Karlsruhe mitteilte, will es am 24. Mai mündlich über die Gesetzesänderung verhandeln. Konkret geht es um die Verfassungsbeschwerde des Verdächtigen im mehr als 40 Jahre alten Mordfall Frederike von Möhlmann. (Az. 2 BvR 900/22)

Die 17-jährige wurde im Jahr 1981 in der Nähe von Celle vergewaltigt und getötet. Der Tatverdächtige Ismet H. war schon damals verdächtig. Er wurde aber 1983 freigesprochen, weil seine Schuld nicht bewiesen werden konnte. Frederikes Vater Hans von Möhlmann kämpfte viele Jahre um eine Wiederaufnahme des Verfahrens. 2012 ergab dann ein molekulargenetisches Gutachten, dass eine DNA-Spur an der Kleidung der Getöteten von H. stammen könnte.

Mithilfe einer von zehntausenden Menschen unterschriebenen Onlinepetition drang der Vater darauf, dass das Strafrecht geändert werden sollte, so dass H. noch einmal vor Gericht käme. Ende 2021 trat nach vielen politischen Diskussionen tatsächlich eine Gesetzesänderung in Kraft. Demnach kann ein Verfahren gegen einen rechtskräftig Freigesprochenen wieder aufgenommen werden, wenn neue Beweismittel es sehr wahrscheinlich machen, dass er wegen Mordes, Völkermordes, Kriegsverbrechen oder Verbrechen gegen die Menschlichkeit verurteilt werden würde.

Anfang 2022 beantragte die Staatsanwaltschaft auf der Grundlage dieser Regelung, das Verfahren gegen H. wiederaufzunehmen. Das Landgericht Verden ordnete dies und die Untersuchungshaft für H. an, das Oberlandesgericht Celle wies eine Beschwerde dagegen zurück. H. erhob daraufhin Verfassungsbeschwerde, um die Wiederaufnahme seines Verfahrens nach der neuen Regelung in Karlsruhe überprüfen zu lassen.

Gleichzeitig beantragte er im Eilverfahren, den Haftbefehl vorläufig ausser Kraft zu setzen. Damit hatte er im Juli 2022 teilweise Erfolg. Das Gericht ordnete an, dass er unter Auflagen vorläufig aus der Untersuchungshaft freikommen solle, und verlängerte diese Anordnung im Dezember für bis zu sechs Monate, bis über die Verfassungsbeschwerde entschieden sei.

Die Neuregelung im Strafgesetzbuch ist umstritten, weil das Grundgesetz es verbietet, jemanden wegen derselben Tat mehrmals zu bestrafen. Das Gericht muss klären, ob sie verfassungsgemäss ist. Es kündigte an, erörtern zu wollen, wie das Verbot im Grundgesetz insgesamt zu verstehen sei. Sollte es die Regelung für verfassungsgemäss erklären, könnte H. noch einmal der Prozess gemacht werden.

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