In ihrer Abschlusserklärung haben sich die G20-Staaten auf Kompromisse mit Russland verständigt. Die Afrikanische Union soll bald Teil des Bündnisses werden.
G20 Gipfel 2023 Indien
Die Vertreter der G20 einigten sich in Neu Delhi auf eine gemeinsame Abschlusserklärung. - keystone

Der G20-Gipfel hat sich in Indien trotz grosser Meinungsunterschiede zum russischen Krieg in der Ukraine auf eine Abschlusserklärung geeinigt. In der Passage zum Ukraine-Krieg wird sowohl auf Forderungen Russlands als auch des Westens eingegangen. Diplomaten werteten die Formulierungen als Einigung auf den kleinsten gemeinsamen Nenner.

Aber Indiens Premierminister Narendra Modi habe so ein Scheitern des Gipfels der führenden Industrie- und Schwellenländer verhindert. Da weder Chinas Staatschef Xi Jinping noch Russlands Präsident Wladimir Putin in Neu Delhi vertreten waren, musste Indien befürchten, dass das Treffen ohne greifbare Ergebnisse endet.

«Unterschiedliche Bewertungen des Ukraine-Kriegs»

Für Putin reiste Aussenminister Sergej Lawrow an. Xi liess sich von Ministerpräsident Li Qiang vertreten. Peking gilt als international wichtigster Partner Moskaus und hat den Angriff auf die Ukraine bisher nicht verurteilt.

Russland erreichte mit dem Kompromiss, dass sein Angriffskrieg nicht mehr – wie noch im Vorjahr – ausdrücklich verurteilt wird. Stattdessen wird nur noch auf entsprechende Resolutionen der Vereinten Nationen verwiesen.

Narendra Modi Sergej Lawrow
Der indische Premier Narendra Modi (r.) empfängt Russlands Aussenminister Sergej Lawrow beim G20-Gipfel. - keystone

Beim G20-Gipfel auf der indonesischen Ferieninsel Bali 2022 hatte sich Moskau offensichtlich auf Druck Chinas einverstanden erklärt, in die Abschlusserklärung den Satz aufzunehmen: «Die meisten Mitglieder verurteilten den Krieg in der Ukraine aufs Schärfste.» Russlands Position wurde mit den Worten abgebildet: «Es gab andere Auffassungen und unterschiedliche Bewertungen der Lage und der Sanktionen.»

Der Westen handelte diesmal lediglich eine Formulierung heraus, nach der alle Staaten von Angriffen auf die territoriale Integrität oder politische Unabhängigkeit anderer Staaten Abstand nehmen müssen. Zudem werden – zumindest indirekt – wieder die Atomwaffendrohungen Russlands kritisiert: «Der Einsatz oder die Androhung des Einsatzes von Kernwaffen ist unzulässig.»

Getreide gegen Sanktionslockerungen

Besonders wichtig dürfte für Moskau sein, dass auf russische Forderungen nach einer Lockerung der westlichen Sanktionen eingegangen wird. So heisst es, man rufe dazu auf, die «unverzügliche und ungehinderte Lieferung von Getreide, Lebensmitteln und Düngemitteln/Zusätzen von der Russischen Föderation und der Ukraine» zu gewährleisten.

Dies sei notwendig, um den Bedarf in Entwicklungsländern besonders in Afrika zu befriedigen. Eine Reaktion der Ukraine auf den Kompromiss gab es zunächst nicht. Putin hatte unter Verweis auf die westlichen Sanktionen ein Abkommen für den Transport von ukrainischem Getreide über das Schwarze Meer aufgekündigt.

Aufnahme der Afrikanischen Union in die G20

Schon zu Beginn des Gipfels verkündete Modi eine Einigung zur Aufnahme der Afrikanischen Union (AU) als Mitglied in die G20. Auch Kanzler Olaf Scholz (SPD) hatte sich dafür stark gemacht. Länder Afrikas leiden stark unter den Folgen der Klimakrise und des Kriegs in der Ukraine. Der indische Regierungschef versucht, sein Land als Anführer des globalen Südens zu profilieren. Die Aufnahme der AU gilt für ihn deshalb als wichtiger Erfolg.

Bisher war die Europäische Union (EU) mit ihren 27 Mitgliedstaaten die einzige Regionalorganisation in der G20-Runde. Der AU gehören alle international anerkannten afrikanischen Länder sowie das völkerrechtlich umstrittene Land Westsahara an. Insgesamt sind es 55 Staaten. Die AU vertritt die Interessen von rund 1,3 Milliarden Menschen. In der EU leben rund 450 Millionen Menschen.

Verunfallter Bundeskanzler erscheint mit Augenklappe

Scholz trug nach seinem Jogging-Unfall auch beim Gipfel noch eine Augenklappe. Der Kanzler wird von Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP) begleitet.

Narendra Modi Olaf Scholz
Gastgeber Modi (r.) mit dem deutschen Bundeskanzler Olaf Scholz. - keystone

Weitere Themen des bis Sonntag dauernden Gipfels unter dem Motto «One Earth, one Family, one Future» (Deutsch: «Eine Erde, eine Familie, eine Zukunft») sind der Klimaschutz und eine Reform der Weltbank.

Klimaschützer nennen Abschlusserklärung «schreckliche Botschaft»

Die Passagen der Abschlusserklärung zum Klimaschutz werden von Experten als wenig ehrgeizig eingestuft. Nicht aufgegriffen wird insbesondere die Forderung von Umweltorganisationen, die G20 sollten sich angesichts der eskalierenden Klimakrise klar zu einem zügigen Ausstieg aus Kohle, Öl und Gas bekennen.

«Gegen die Klimakrise hat der G20-Gipfel zu wenig geliefert», sagte Jörn Kalinski von Oxfam in Deutschland. «Die Regierungen steuern uns weiter auf eine globale Katastrophe zu.» Auch Friederike Röder, Vize-Präsidentin der Nicht-Regierungsorganisation Global Citizen, übte Kritik: «Das ist eine schreckliche Botschaft an die Welt, besonders an die ärmsten und verletzlichsten Länder und deren Menschen, die am meisten unter dem Klimawandel leiden.»

Bekräftigt wird im Abschlussdokument zwar der Beschluss der G20 von vor 14 Jahren, mittelfristig «ineffiziente» Subventionen für diese klimaschädlichen fossilen Energieträger abzubauen. Doch steht dies in hartem Widerspruch zur Realität: 2022 haben sich diese Subventionen nach Zahlen der Internationalen Energie-Agentur weltweit auf den Rekordwert von gut einer Billion Dollar verdoppelt.

Beim Verbrennen von Kohle, Öl und Gas werden klimaschädliche Treibhausgase freigesetzt. Die G20 verantworten etwa 80 Prozent dieser Emissionen; den Löwenanteil haben China, die USA und die EU.

G20-Gipfel 2026 in den USA

Ein anderer Konfliktpunkt in Neu Delhi war, ob der G20-Gipfel im Jahr 2026 in den USA oder anderswo ausgerichtet werden soll. Die USA setzten sich dabei nach Angaben von Diplomaten gegen China durch. Der Gipfel 2024 ist in Brasilien, der im Jahr 2025 in Südafrika.

Ad
Ad

Mehr zum Thema:

Europäische UnionWladimir PutinUkraine KriegKlimawandelOlaf ScholzG20-GipfelXi JinpingWeltbankOxfamKriegEUG20