Ethikrat hält Eingriffe in menschliche Keimbahn derzeit für unveranwortlich
Wegen der unabsehbaren Risiken hält der Deutsche Ethikrat Eingriffe in die menschliche Keimbahn derzeit für ethisch nicht vertretbar.

Das Wichtigste in Kürze
- Gremium fordert globale wissenschaftliche und ethische Standards.
Die Verfahren seien zu unausgereift und die Gefahr von unerwünschten gesundheitlichen Folgen zu gross, heisst es in einer am Donnerstag in Berlin veröffentlichten Stellungnahme. Das Expertengremium forderte ein internationales Moratorium für Keimbahneingriffe beim Menschen sowie weltweite wissenschaftliche und ethische Standards.
Das sogenannte Genome-Editing erlaubt gezielte und sehr präzise Eingriffe in das Erbgut. Bei diesen neuen molekularbiologischen Verfahren, von denen vor allem die Genschere Crispr/Cas9 an Bedeutung gewann, geht es im Grunde um das Ausschneiden und Ersetzen bestimmter Genabschnitte.
Wird zum Beispiel die DNA in Keimzellen verändert, vererben sich die neuen Sequenzen an die nachfolgenden Generationen. Genome-Editing wird bei Pflanzen und Tieren angewandt. Besonders umstritten sind Eingriffe in die menschliche Keimbahn, die krankheitsauslösende Genvarianten in den Zellen beseitigen sollen.
Der Ethikrat schliesst solche Eingriffe aus ethischer Sicht nicht grundsätzlich aus. Die menschliche Keimbahn sei «nicht unantastbar», heisst es in der Stellungnahme. Allerdings sind die Positionen unter den Experten nicht einheitlich. Beispielsweise halten nicht alle Mitglieder des Ethikrats Keimbahneingriffe überhaupt für sinnvoll.
Eine grosse Mehrheit bewertet demnach den Einsatz der Technologie zumindest zur Vermeidung oder Verringerung genetisch bedingter Krankheitsrisiken «als ethisch legitimes Ziel». Andere Mitglieder sehen in Keimbahneingriffen «keinen ausreichend hochrangigen Nutzen», der die potenziellen Nachteile rechtfertigen könne. So könnten durch Fehler beim Genome-Editing der Erfolg ausbleiben oder neue gesundheitsschädliche Mutationen entstehen, was sich erst später bei dem betreffenden Menschen zeigen würde.
Als «zwingende Voraussetzung» für die künftige Anwendung von Keimbahneingriffen sieht der Ethikrat daher deren «hinreichende Sicherheit und Wirksamkeit». Einig ist sich das 26-köpfige Gremium zudem über den politischen Handlungsbedarf. Der Ethikrat bekräftigte seine Forderung nach einem breiten Diskurs zum Thema und empfahl Bundesregierung und Bundestag, sich für ein weltweites Moratorium für solche Eingriffe einzusetzen. Das würde aus Sicht der Experten Zeit für eine sorgfältige Forschung und die Schaffung internationaler Regeln ermöglichen.
Erst im November hatte der chinesische Genforscher He Jiankui mit der mutmasslichen Schaffung der ersten gentechnisch veränderten Babys weltweit für Schlagzeilen und scharfe Kritik gesorgt. Er hatte die DNA nach eigenen Angaben so verändert, dass die Kinder vor einer HIV-Infektion geschützt sein sollen. Gegen He laufen Ermittlungen, er wurde als Universitätsprofessor beurlaubt.