Die Chilenen haben am Sonntag über eine neue Verfassung abgestimmt.
Wahlhelfer vor einem Abstimmungslokal in Santiago
Wahlhelfer vor einem Abstimmungslokal in Santiago - AFP

Der bislang gültige Text stammt noch aus der Zeit der Militärdiktatur von Augusto Pinochet. Der zur Abstimmung stehende Entwurf für einen «sozialen und demokratischen Rechtsstaat» spaltet allerdings das Land. Vor allem die vorgesehenen neuen Rechte für die Ureinwohner des südamerikanischen Landes, das Abtreibungsrecht und der im Text verankerte Umweltschutz sind umstritten. Umfragen sehen die Gegner des Textes in der Mehrheit.

Insgesamt waren 15 Millionen Menschen zur Abstimmung aufgerufen. Noch vor Öffnung der Wahllokale am Morgen bildeten sich lange Schlangen. Der chilenische Präsident Gabriel Boric, der das Referendum unterstützt, schrieb im Kurzbotschaftendienst Twitter, Chile brauche «mehr Demokratie, niemals weniger», um Lösungen für die Ungleichheit zwischen den Bürgern zu finden.

Hauptauslöser für den verfassunggebenden Prozess waren soziale Unruhen im Jahr 2019. Viele Chilenen führten die wachsende soziale Ungleichheit im Land auf die alte Verfassung zurück, die zwar seit 1990 mehrfach reformiert wurde, der Privatwirtschaft jedoch immer noch freie Hand in vielen Bereichen lässt. 2020 stimmte eine überwältigende Mehrheit der Chilenen in einem Referendum für eine Neufassung der Konstitution.

Vor allem an den im Verfassungsentwurf vorgesehenen neuen Rechten für die Ureinwohner des südamerikanischen Landes scheiden sich die Geister. Die Indigenen machen etwa 13 Prozent der chilenischen Bevölkerung aus. Der Verfassungsentwurf gesteht ihnen grössere Autonomie und die Anwendung ihrer eigenen Rechtsprechung zu.

Nach der geltenden Verfassung sind Bildung, Gesundheitsversorgung und Renten immer noch überwiegend privatwirtschaftlich organisiert. Der neue Entwurf will die Verantwortung dafür wieder in die Hände des Staates legen. Er sieht ein von Arbeitnehmern und Arbeitgebern finanziertes Sozialversicherungssystem vor.

Umstritten sind auch die Paragrafen zur Legalisierung der Abtreibung und zum Schutz von Umwelt und natürlichen Ressourcen wie Wasser, die derzeit häufig von privaten Unternehmen ausgebeutet werden. Internationale Experten bezeichnen den Verfassungsentwurf in puncto Umweltschutz als bahnbrechend, da er die Rechte von Natur und Tieren anerkennt und ein Grundrecht auf Wasser festschreibt.

Gewinnen die Gegner, bleibt die alte Verfassung in Kraft. Die Gefahr ist gross, dass in diese, Fall die seit drei Jahren schwelenden Unruhen erneut aufflammen.

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