Bundesverfassungsgericht stärkt Fragerecht von Abgeordneten zu Verfassungsschutz

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Deutschland,

Selbst beim Geheimdienst muss nicht alles für alle geheim bleiben: Das Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe hat mit einem Urteil vom Mittwoch die Informationsrechte von Parlamentariern gestärkt.

Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe
Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe - AFP/Archiv

Das Wichtigste in Kürze

  • Erfolg für FDP-Politiker Kuhle nach Frage zu Auslandseinsätzen.

Die nicht ausreichend begründete Weigerung der früheren Bundesregierung, dem FDP-Bundestagsabgeordneten Konstantin Kuhle eine Frage zum Verfassungsschutz zu beantworten, verletze diesen in seinem parlamentarischen Fragerecht, befand das Gericht. Kuhle wollte wissen, wie viele Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Inlandsgeheimdienst 2015 bis 2019 ins Ausland entsandte. (Az. 2 BvE 8/21)

Das Bundesinnenministerium verweigerte die Auskunft und begründete dies im Dezember 2020 lediglich damit, dass die Informationen geheim bleiben müssten, weil hier das Staatswohl «in besonderem Masse» berührt sei. Kuhle wiederum findet, dass Abgeordnete bei dem Thema Bescheid wissen müssten, wenn sie beispielsweise über den Haushalt der Nachrichtendienste abstimmten. Er zog nach Karlsruhe und hatte dort nun Erfolg.

Das Gericht erklärte, dass die Verweigerung der Auskunft nicht gerechtfertigt sei. Eine Gefährdung des Staatswohls habe die damalige Bundesregierung nämlich nicht ausreichend begründet: Sie habe nur abstrakt überlegt, dass ausländische Nachrichtendienste Informationen sammelten, um diese wie ein Mosaik zusammenzuführen – die Auskunft könnte dabei ein entscheidendes Teilstück sein. Das hätte die Regierung aber genau erklären müssen, entschied das Bundesverfassungsgericht.

Ohne eine spezifische Erklärung nämlich könne mit dieser Argumentation jede Auskunft verweigert werden. Würde die «Mosaiktheorie» übernommen, würde das parlamentarische Fragerecht praktisch leerlaufen, sagte Gerichtsvizepräsidentin Doris König. Das Gericht betonte, dass das Staatswohl nicht allein der Regierung, sondern auch dem Bundestag anvertraut sei.

Eine Berufung darauf komme nicht in Betracht, wenn wirksame Massnahmen gegen das Bekanntwerden von Dienstgeheimnissen getroffen würden. Das geheim tagende, für die Nachrichtendienste zuständige Parlamentarische Kontrollgremium sei nur ein zusätzliches Instrument, welches sonstige Informationsrechte des Bundestags nicht verdränge.

Zwar sei der Informationsanspruch des Bundestags nicht grenzenlos, erklärte das Gericht. Die Grenzen dieses Anspruches bildeten – neben dem Zuständigkeitsbereich der Regierung und dem Staatswohl – die Grundrechte Dritter und der Kernbereich exekutiver Eigenverantwortung, der vor dem Zugriff des Parlaments geschützt sei. Diese seien hier aber nicht betroffen.

Schliesslich habe Kuhle nur Auskünfte über die Vergangenheit erbeten und nur nach den Zahlen gefragt, nicht nach weiteren Einzelheiten wie etwa Einsatzorten. Aus der blossen Mitteilung der Zahl von Mitarbeiterinnen oder Mitarbeitern im Ausland entstehe kein relevantes Risiko für Einzelne, enttarnt zu werden.

Kuhle zeigte sich zufrieden mit dem Urteil. Es gehe nicht darum, nachrichtendienstliche Arbeit abzuschaffen, sagte er in Karlsruhe. Das Gericht habe aber klargestellt, dass es in diesem Bereich keine Ausnahme vom Fragerecht gebe. Der Bundestag werde über eine Reform des Nachrichtendienstrechts sprechen – dafür sei das Urteil «eine Ansage».

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