Bundesverfassungsgericht verhandelt über Bundestagsrecht auf Information
Mit den Rechten des Bundestags bei der gemeinsamen Aussen- und Sicherheitspolitik der Europäischen Union hat sich am Dienstag das Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe befasst.

Das Wichtigste in Kürze
- Grüne und Linke sehen Informationspflicht von Regierung auch bei EU-Sicherheitspolitik.
Der zweite Senat verhandelte über Klagen der Grünen- und der Linksfraktion von 2015. Die Fraktionen finden, dass der Bundestag an der europäischen Sicherheitspolitik mitarbeitet und darum von der Bundesregierung frühzeitig informiert werden muss. (Az. 2 BvE 3/15 und 2 BvE 7/15)
Konkret ging es um zwei Vorgänge während der Flüchtlingskrise 2015. Im Frühjahr 2015 beschloss die EU, systematisch gegen Schlepper und Menschenschmuggel auf dem Mittelmeer vorzugehen. Sie startete die Militäroperation EUNAVFOR MED - auch Operation Sophia genannt. Grüne und Linke rügen, dass der Bundestag den Entwurf für das Krisenmanagementkonzept nicht vor dem Ratsbeschluss im Mai 2015 einsehen konnte.
Die Linksfraktion klagte ausserdem, weil die Abgeordneten einen Brief des damaligen türkischen Ministerpräsidenten Ahmet Davutoglu an die damalige Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) nicht lesen durften.
Davutoglu hatte vor einem Gipfeltreffen der EU mit der Türkei Ende 2015 an die europäischen Staats- und Regierungschefs geschrieben. Bei dem Treffen ging es um das spätere Flüchtlingsabkommen.
Die klagenden Fraktionen halten Unterrichtungs- und Mitwirkungsrecht des Parlaments für verletzt. Sie seien bereit, «für die Rechte des Bundestags in der Aussen- und Sicherheitspolitik vor dem Bundesverfassungsgericht zu streiten», schrieb der Grünen-Abgeordnete Jürgen Trittin auf Twitter zu einem Foto, das ihn mit seinem Kollegen Till Steffen in Karlsruhe zeigt. Beide Politiker waren, ebenso wie der Linken-Abgeordnete Andrej Hunko, zur Verhandlung angereist.
Laut Grundgesetz wirken Bundestag und Bundesrat in Angelegenheiten der Europäischen Union mit. Die Bundesregierung muss sie darum «umfassend und zum frühestmöglichen Zeitpunkt» unterrichten. Die Frage ist aber, ob das auch für die Sicherheitspolitik gilt.
Die Bundesregierung jedenfalls betrachtet diese nicht als «vergemeinschaftet», wie Susanne Baumann, Staatssekretärin im Auswärtigen Amt, vor Gericht sagte. Vielmehr verständigten sich die Mitgliedsstaaten untereinander auf eine einheitliche Linie.
Demnach handelt es sich nicht um EU-Angelegenheiten. Nur bei diesen aber habe der Bundestag das Recht, sich in den Entscheidungsprozess einzubringen und im Vorfeld informiert zu werden, sagte der Bevollmächtigte der Bundesregierung, Heiko Sauer. Bei der gemeinsamen Sicherheitspolitik gebe es «keine Verdrängung mitgliedsstaatlicher Kompetenzen», weshalb keine Rechte des Bundestags ausgeglichen werden müssten.
Der Bevollmächtigte der Grünen-Fraktion, Andreas von Arnauld, sah dies anders. Im entsprechenden Artikel des Grundgesetzes gehe es um ein «Mitregieren in allen Fragen der europäischen Integration», sagte er. Werde dieses Mitregieren ernst genommen, müsse der Bundestag die Dokumente bekommen, die er dazu brauche. Sonst könne er nur noch «zur Kenntnis nehmen, was längst beschlossen ist». Die Mitgliedsstaaten der EU seien nicht ausschliesslich die jeweiligen Regierungen.
Der Bevollmächtigte der Linksfraktion, Martin Hochhuth, nannte es «problematisch», wenn nur die Bundesregierung selbst entscheiden könne, ob und wie sie das Parlament informiere. «Das Grundgesetz ist zur Machtkontrolle da», betonte er.
Im April 2021 hatte das Verfassungsgericht auf eine Klage der Grünenfraktion hin entschieden, dass die Bundesregierung den Bundestag umfassend und so früh wie möglich über ihre Linien in EU-Verhandlungen informieren müsse. Damals ging es allerdings nicht um Sicherheitspolitik, sondern um die deutsche Position zum möglichen Austritt Griechenlands aus dem Euro vor sieben Jahren.
Über die aktuellen Klagen entschied das Gericht am Dienstag noch nicht. Ein Urteil wird voraussichtlich in einigen Monaten fallen.